30. September 2003 · Hotel Godewind, Kiel
Das Hotel wird von anderen Gästen auf Hotel.de übrigens gut beurteilt. Wir jedoch wollen die Fakten sprechen lassen:
Telefonisch reserviert. Bei der Ankunft auf dem Hof empfing uns ein riesiger laut bellender Köter. Dann erschien die einzige Person, die wir während des Aufenthaltes mit 2 Übernachtungen zu sehen bekamen, nennen wir sie Mutter. Eine schwarzhaarige Alt’sche, vom Typ „hätte-man-im-Mittelalter-als-Hexe-verbrannt“, die von sich, dem Köter und ihrem Etablissement aber sehr überzeugt war. Sie hielt die Bestie auf Entfernung, sodass wir unseren Koffer reinschleppen konnten. Den hatten wir noch nicht auf dem Boden abgesetzt, als sie schon die Kohle für die 2 Nächte im voraus haben wollte, in bar selbstverständlich. Das Zimmer überwältigte uns als eine einzige Wolke in rosa geblümtem Plüsch. Das Bett war eine Maschine aus Kunstleder. Sämtliche Hotel.de-Kritiken bemängeln das stets zu kleine Bad in den Zimmern – vermutlich nachträglich eingebaut und durfte nichts kosten. Unter solchen Vorzeichen merken wir das schon gar nicht mehr, sondern halten es für selbstverständlich. Irgendwie bekamen wir sogar die Nacht rum, obwohl wir zunächst überlegt hatten, im Stehen zu schlafen, wie das Foto zeigt.
Am nächsten Morgen begaben wir uns in das nach nassem Hund stinkenden Frühstückszimmer (sie nannte es Clubraum) und siehe da, wir waren nicht die einzigen Gäste, sondern eine arme Kleinfamilie hatte sich ebenfalls hierher verloren. Als wir gemäß dem Motto „der kluge Mann baut vor“ unsere von zu Hause (bzw. aus der Siemens-Kantine) mitgebrachten Gastronomie-Portionen Nutella auf den Tisch legten, kuckten die Ärmsten so herzblutig, dass wir ihnen den Aufstrich opferten. Abends, nach einem langen, erlebnisreichen Radel-Tag wollten wir nicht vorzeitig im Zimmer den Blues bzw. das „arme Dier“ kriegen, sondern machten noch einen Abstecher zum hochtrabend Olympia Segelzentrum oder so ähnlich genannten Beton-Verhau in Kiel Schilksee, der in seiner verfallenden 1970er-Jahre-Monumentalität das Hotel Godewind an Trostlosigkeit noch um Längen überstieg. Dieses architektonische Monstrum war nebenbei auch mal „Location“ in einem Kiel-Tatort.
1.5.1991 Decize an der Loire, Motel ???
Eine 4-tägige Radtour durch Burgund brachte uns das französische Hotelwesen näher. Geplant war, nach der Radtour noch eine Woche Mittelmeer-spontan dranzuhängen. Wir hatten bereits in Auxerre das Hotel les Clairions, die eisenharte Auberge de la Chapelle (damals Hotel de la boule d’or oder so) in Clamecy sowie das Hotel Auberge Lamirault (damals Hotel de la poste) in Chatillon-en-Bazois hinter uns, wo wir uns 12 Stunden vom Dauerregen erholen konnten und uns der Patron freundlich empfangen hatte. Nach einem weiteren Regentag landeten wir in Cercy-la-tour und beendeten das Radeln. Nach ca. 3 Stunden Aufenthalt in einer Bar-Tabac-Loto am Sonntagmorgen bekamen wir einen Bummelzug über Avalon zurück nach Auxerre, wo das Auto stand. Natürlich durften wir die Räder nicht mitnehmen – also fuhren wir von Auxerre wieder nach Cercy, um die Räder auszulösen. Während der Fahrt mit dem Auto wurde uns erstmals wieder richtig warm. Aber nicht lange. Erstmal cancelten wir den spontanen Badeurlaub am Mittelmeer. Was wir nicht sahen und nicht sehen wollten: Ende April/Anfang Mai ist es in Frankreich fast überall noch zu kalt, nicht selten auch am Mittelmeer. Nun hatten wir in unserer Logik einen gut und machten einen letzten Entdeckungs-Abstecher an die Loire, den französischsten aller Flüsse. Wir malten uns aus: traumhafte, alte Kulturlandschaft, satte Dörfer, malerische Städtchen voll prallen Lebens. Der nächstliegende Loire-Ort war lt. IGN-Landkarte 1:100.000 Decize, noch dazu an der Mündung des l’Aron !
In Decize war der echte Hund verfroren. Erst zu Fuß, dann mit dem Auto machten wir uns in den drei weit auseinandergerissenen Ortsteilen auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Gegen 21.00 Uhr fanden wir endlich ein einsam gelegenes sogenanntes Motel, dessen Name und Lage sich aus dem zeitlichen Abstand nicht mehr rekonstruieren lässt. Das Zimmer im Erdgeschoss war kalt, ungemütlich und strange eingerichtet. Nach dem Einschecken fuhren wir sofort mit dem Auto die Landstraße Loire-abwärts, um irgendwo ein Restaurant zu finden. Das gelang uns nur mit ach und krach in Imphy. Am nächsten Morgen verzichteten wir auf die Dusche und das Frühstück – nur weg.
Am 29.1.2013 fanden wir beim Aufräumen ein handschriftliches Protokoll vom 30.4.1991 wieder, das hier im Wortlaut widergegeben werden soll:
Clamecy, Hotel zur goldenen Kugel. Wir fanden Aufnahme. Ein kleiner Junge zeigt uns den Weg über den Hinterhof. In einem verbauten Nebengebäude geht es knarrende Stiegen hoch. Letztes Zimmer rechts. Durch eine Schießscharte fällt etwas Tageslicht. Am Nachmittag sind wir die einzigen, weil die ersten. Später ist das Hotel ausgebucht. Es kommen Pariser, Belgier, Tommies. Um 19.45 Uhr gehen wir rüber zum angeschlossenen Restaurant, das in einer ehemaligen Kirche oder Kloster-Refektorium untergebracht ist. Gotik kommt auf. Die Bedienung strotzt vor Scharmanz. Pulle Wein wird, bereits geöffnet, wortlos auf den Tisch geknallt. Auch das Essen schiebt sie im Vorbeigehen ohne Anhalten nach. Die bestellte Portion Spargel – es ist Spargelzeit – stammt aus der Dose. „Möchten Sie ein Dessert?“ diese Frage wurde nicht gestellt. Statt dessen leiert sie unvermittelt runter: „Zitronentorte, Erdbeertorte, Karamellpudding“. Beim Frühstück am nächsten Morgen gibt es sogar Butter, wenn man danach fragt. Zahlen. Euroschecks sind nicht erwünscht, nur Bargeld in Francs.
Chatillon-en-Bazois, Hotel de la Poste. Der Patron ist nett. Man meint es gut mit uns. Am beeindruckendsten ist das Klo im Zimmer. Es ist mit einem „Brecher“ ausgestattet. Aha. Was ist das? Eine Art Kackwurst-Mühle, die alles durchmüllert und anschließend durch ein Rohr mit sehr kleinem Querschnitt jagt. Sehr praktisch und : Ein audiophiles Erlebnis. Später entdeckten wir die Möglichkeit, die nassen Turnschuhe an den Schnürbändern unter der Gardinenstange über der Heizung zum Trocknen aufzuhängen. Den weiteren Nachmittag verbrachten wir, auf das Abendessen wartend, im Bett – mehr war in Chatillon nicht möglich. Abends beim Dinner leisteten wir uns das Menü zu 88,00 Francs – Perlhuhn, dessen Bratendünste den ganzen Nachmittag schon durch die Bude geströmt waren. Weinkühler unbekannt, aber für uns auch nicht nötig, weil wir Weißwein grundsätzlich on the Rocks trinken, soweit verfügbar.
14. August 1999 Best Western Hotel Eden
Wir reisten an mit dem seinerzeit neu angeschafften Mercedes A-Klasse, kurzes Modell. Um etwas mehr Gefühl von Freiheit zu atmen, hatten wir den Sitz hinten links ausgebaut. So konnten wir uns der Illusion hingeben, jederzeit im Auto etwas hin- und herlaufen zu können, zumindest klettern. Wir – das waren die Mutter, der Oppa (Messdiener O.) und Messdiener K. Weil Parken in Amsterdam als unmöglich gilt, parkten wir unter dem Ajax-Stadion, fuhren zum Kombi-Tarif mit der Bahn in die City und stiegen zwei Stationen zu früh aus, sodass die Kofferschlepperei doch sehr arg geriet. Das Best Western Eden lag am innenstädtischen Ende der Amstel (Heute heißt es anders). Es kostete 300,00 Gulden pro Zimmer und Nacht, was damals viel Geld war, und wir nahmen es, weil nach ca. 20 telefonischen Reservierungsversuchen bei preiswerteren Häusern die Antwort praktisch immer die gleiche war: „Sorry, fully booked!“. Für 300 Gulden bekamen wir ein Zimmer mit Fenster, das man zum Lüften öffnen konnte, mehr nicht. Denn die Sicht endete nach einem halben Meter vor der nächsten Hauswand. Und wenn man tagsüber den Kopf aus dem Fenster hängte, konnte man vielleicht sogar den Himmel erkennen. Bei Ankunft stiegen wir zusammen mit ein paar Juden in den Aufzug, waschechte blasse Juden mit Hut, Brille, Glatze, Bart und Locke. Wir wollten nicht deutscher wirken als wir aussahen, deshalb schwiegen wir vorsichtshalber, bis sie um die Ecke waren.
Der weitere Verlauf des ca. 18-stündigen Aufenthalts in der Stadt ist schnell erzählt:
- Bier und „stokbrood gezond“ auf dem Leidse Plein
- weiteres Bier im von hier aus gesehen linken Flügel der Centraal Station, neben dem Fahrrad-Parkhaus
- Rijksmuseum, wo die Nachtwache unbeachtet still vor sich hin hing, weil alle es hauptsächlich auf die Sonderausstellung „Het Nederlandse stilleven/Stillife paintings from the Netherlands“, so auch wir, abgesehen hatten. Wir kauften sogar ein Plakat, welches noch heute in unserer Küche hängt
- Abendessen im Restaurant Keizersgracht 238, wir glauben wir hatten Ente
- Abendbier (mehrere) im „Amstel Diamonds Limited“ als Schauerstation bei einem Wolkenbruch. Man spielte, unvergesslich „My heart will go on“, das wir seitdem als „unser Lied“ bezeichnen.
Am nächsten Tag führte die erweiterte Rückfahrt über Haarlem, Bloemendaal und Noordwijk.