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Nach unserer Brombeer-Tour von Hamm über Marina Rünthe und Bergkamen nach Dortmund im August 2022 stand uns der Sinn nach der mindestens einmal jährlich zu absolvierenden und für 2023 überfälligen Radtour durch das Ruhrgebiet. Der touristisch nutzbare Sommer neigt sich dem Ende zu und darum musste es möglichst bald sein. Wettertechnisch war es am angepeilten Wochenende 15/16 September mit deutlich unter 30° ideal. Bisher waren uns Herten, der Gelsenkirchener Süden und der Essener Norden unbekannt geblieben. Zudem wählten wir die Strecke so, dass wir die Halden Hoheward und Rheinelbe passieren und besteigen konnten. Neben den Halden waren wir vor allem an durchschnittlichen Ruhrgebiets-Impressionen interessiert, die so normal und unbedeutend daherkommen, dass sie überall anzutreffen sein können und außer von ihren Anwohnern nicht zu identifizieren sind.

Freitag, 15. September 2023

Wir suchten den „Bahnhof“ (ein S-Bahn Haltepunkt) Herten und fanden alle Parkplätze von Pendlern oder Privilegierten belegt. Macht nix, in irgendeiner Wohnsiedlung lag ein kostenloser Stellplatz am Straßenrand. Zum Wiederfinden fotografierte die Mutter das nächste Straßenschild und wurde sofort von einer Nachbarin angesprochen „Wollen Sie das Haus kaufen?“ An der etwas in die Jahre gekommenen Immobilie hatten wir kein akutes Interesse, obwohl die Lage gar nicht schlecht war. Überhaupt hatten wir uns Herten schrecklicher ausgemalt als letztlich angetroffen. Bei schönstem Wetter legten wir vor dem Start ein Frühstück im Rathaus-Café ein und beobachteten das kleinurbane Treiben. Nach ein paar Kilometern kam das erste Highlight: Die Halde Hoheward www.rvr.ruhr/themen/tourismus-freizeit/halden-landmarken/halde-hoheward/ (Erstaunlich, wie viele unterschiedliche Websites sich allein um die touristische Erschließung und Vermarktung von Halden kümmern – der o.g. Link ist nur einer davon). Hoheward schätzen wir als eine der größten ein – ein ähnliches Gebirge wie die Halde Haniel bei Bottrop. Wir parkten am Fuß nahe der ehem. Zeche Ewald und der Wasserstoff-Tankstelle und nahmen das erste Drittel der ca. 120 Höhenmeter per Treppe. Der touristische Andrang war nur mäßig, wir konnten den 1-stündigen Abstecher oben genießen – Beschäftigung Kucken und Brötchen essen. Ein bischen verfahren, dann („weiter geht’s du bist zurück auf der Tour!“) ging es über Schalke in die City der Barockstadt Gelsenkirchen. Hier war auffallend wenig los. Als architektonische POIs gefielen uns die ev. Emmaus Kirche mit einem riesigen freistehenden Turm, welcher Expressionismus, Gotik und Art-Déco in sich vereint sowie der Wissenschaftspark von 1995 mit einem langgestreckten Gebäude mit schräg verglastem Gang inmitten einer großen Teich-Anlage, aber immer noch vorzeigbar. Für die Besichtigung des Hauptbahnhofs reichten Lust und Ruhe nicht mehr, zudem wir zeitlich gegenüber unserer Planung (Ankunft Mülheim 18 Uhr) zurücklagen. Weiter gings zur Halde Rheinelbe, die viel kleiner und niedriger ausfiel als Hoheward – damit auch schneller zu absolvieren war. Oben ein paar Fotos und dann durch hügeliges Terrain Richtung Essen. In Essen gibt es so eine Art mittleren Ring, teilweise als B224 geführt, sehr laut, sehr viele Ampeln, störende Baustellen, richtig anstrengend. Im Essener Norden hatte uns unser alter Samsung Kopfhörer von 2012 verlassen, über den wir die (zu vielen) Richtungskommandos von Komoot empfingen. Offenbar ein Kabelbruch. Wer hat denn noch Kabel-Kopfhörer ? Wir, wegen der Latenz von Bluetooth-Hörern beim Live-Spiel angeschlossener Keyboards. Aber damit ist jetzt Schluss, bald kommen Apple EarPods als Ersatz. Die Navigationskommandos ertönten auf der Reststrecke nun unverständlicherweise gnurps-gnurps aus der Gesäßtasche, und wir mussten oft anhalten und bei grellem Sonnenlicht versuchen, etwas auf dem Display zu erkennen. Nervig. „Du hast die Tour verlassen. Wirf einen Blick auf die Karte. Die Tour liegt 600 Meter links von dir.“ säuselte Miss Komoot mit stets traurigem Unterton am Satzende. Noch säuseliger klingt nur noch die in allen Netto-Filialen gleiche Ansage: „Liebe Kunden. In Kürze öffnet Kasse 2. Bitte die Ware schon jetzt auf das Kassenband legen. Und bitte die Deutschland-Card bereithalten.“ Und 30 Sekunden später: „Liebe Kunden. In Kürze schließt Kasse 2. Bitte keine weiteren Waren auf das Kassenband legen“. Die Stimmung in der Gruppe litt unter dieser prekären Lage und der Tourleiter geriet in Gefahr, überfordert zu wirken, was er wirklich nicht war. Bei REWE/Malzer kauften wir ein knuspriges Brötchen. Knusprig am späten Nachmittag ? Ja, denn die warmherzig-mütterliche Verkäuferin versprach: „Ich schmiere Ihnen ein Frisches!“ Zum Dank nahmen wir auch noch für 2,90 € ein stilvolles eiskaltes Mineralwasser, das bei Aldi Süd um die Ecke vermutlich 0,29 € gekostet hätte. Ein paar Kilometer später stießen wir auf den RS1 Radweg, der einst von Hamm bis Duisburg geplant war – ein als ganz großes Ding von der Regierung Laschet angekündigtes Fahrrad-Mobilitäts-Infrastruktur-oder-sowas-Projekt – der aber nur von Essen bis Mülheim realisiert wurde. Es lief schnell auf dem RS1.  Um 18.30 erreichten wir Mülheim. Die Gegend an der Ruhrpromenade zeigte sich bei gehobener Wochenend-Stimmung von ihrer schönsten Seite. Wir bekamen in einem der 2 Restaurants einen Platz. Der abschließende Eiskaffee war uns aber nicht mehr vergönnt, weil um 20 Uhr die Nacht hereinbrach und die „EisBar“ gerade schließen wollte. „Nur noch to-go“. Ach nee. Ein nächtlicher kurzer Streifzug durch die von türkisch/arabischer Bevölkerung gern frequentierte Umgebung des Hotels Holiday Inn Express brachte keine weitere Inspiration. Das Fenster ließ sich nur auf Kipp stellen, da man verhindert wollte, dass wir aus dem 5. Stock in die Fußgängerzone springen.

Samstag, 16. September 2023

Wir erschienen um 7.30 im Frühstückraum und fanden überwiegend sportlich orientiertes fröhliches Jungvolk an den Tischen. Zur Holiday Inn Compliance gehört es, dass kein Rührei erhältlich ist. Das gilt lt. Booking.com-Kommentaren als bekannt und wir litten darunter nicht weiter. Überhaupt gab es nichts zu meckern. Um 9 Uhr bei spätsommerlicher Lichtstimmung radelten wir über die Schlossbrücke und dann weiter Richtung Duisburg. Die A3 querend und am Zoo entlang, einen kleinen verwilderten und unbedeutenden botanischen Garten mitnehmend, kamen wir am Museum Küppersmühle an, wussten aber schon, dass dort erst eine Stunde später geöffnet wurde. Die Zeit wollten wir nutzen für einen kleinen Ausflug über Ruhrort an den Rhein mit Blick auf das Hotel Rheingarten in Duisburg Homberg, wo leider kein Zimmer mehr frei war. Unseren 3 Abstiegen dort konnten wir also keinen vierten dranhängen. Die neue Brücke über die Ruhr war immer noch nicht fertig. Vor „Hübi“ in der Horst-Schimanski-Gasse legte ein DJ draussen und zu früher Stunde bereits auf und grüßte sogar. Eine 3-Minuten-Stippvisite in der kath. Kulturkirche Liebfrauen (1950er-Jahre-Avantgarde) am König-Platz beim Theater vermochte nur zu enttäuschen. Als Spielort der sog. „Ruhr-Triennale“ hatte man dort ein unschönes Ausstellungs-Chaos inszeniert. Wir fragten die Aufsicht nach Gottesdiensten im krypta-artigen Untergeschoss. Von kirchlichem Betrieb wusste der Kerl nichts und vermutete nur „irgendwas mit Beten“. Tieftraurig. Zurück bei Küppersmühle erwartete uns eine mit 6 € sehr günstige Aussstellung „Christoph M. Gais“. Wie zu erwarten, hingen große Formate mit in Layern gemalten Pinsel- und Quaststrichen, die gestaffelte Räumlichkeit suggerierten. Schöne Farben ohne jedes Grün. Die Sammlung Ströher und der Alt- und Neubau waren nichts Neues für uns, so beließen wir es beim Erdgeschoss. Schnell noch etwas eingesteckt für unsere Sammlung schöner Museums- und Kulturflyer, z.B. den neuen Hausprospekt, 2 Postkarten sowie eine üppige Broschüre der Duisburger Philharmoniker. Nun stand die Heimreise an. In den „Grachten“ am Philosophenweg hatte man das Wasser abgelassen, warum das denn. Am Bahnhof kämpften wir 15 Minuten mit dem VRR-Automaten, bis wir verstanden, wie der tickt. Der Regionalexpress Richtung Münster war voll und anstrengend. Stehend passten wir darauf auf, dass die Fahrräder sich nicht selbständig machten. Das Schöne am Bahnfahren in NRW ist, dass man mit den vielen Gestalten, die man während der Fahrt erlebt und beobachtet, nichts zu tun hat und sie nie wieder sieht. Eine Bahnverbindung bis Herten hatten wir nicht hinbekommen, schon lange nicht per DB-Navigator. Also fuhren wir bis Recklinghausen und radelten 10 km zurück nach Herten. Auf dem Weg dahin gerieten wir zunächst unbemerkt auf die Ausfallstraße nach Herne, was ähnlich klingt. Hatte aber letztendlich den Vorteil, dass die Strecke nicht an der zu lauten und zu sonnigen L511 entlangging, sondern durch irgendeinen schattigen Wald. In Herten fanden wir das Auto an der Stelle wieder, wo wir es gestern abgestellt hatten. Das Hertener Schloss-Café war erwartungsgemäß geschlossen. Für die Rückreise wählten die A2, B236, A44, L755, B1, und das Hertener Abschluss-Eis wurde ersatzweise um 17 Uhr in Salzkotten verspeist. Kleine runde Kugeln, nicht zu süß.

Zwei volle Tage ohne Gegenwind, da sind wir so dankbar.

Halden

Küppersmühle

Tour Impressions