Bei der Museumsnacht Paderborn 2024, so die offizielle Bezeichnung, macht das Diözesanmuseum wegen der Umbauarbeiten zur großen Ausstellung „Corvey und das Erbe der Antike“ (ab 21. September) nicht mit. Eigentlich. Es gäbe nichts zu sehen, außer Baustellen-Chaos. Ist das wirklich so ? Ich aber wünsche mir trotzdem die Beteiligung an der Museumsnacht. Denn genau dieser Zwischenstand lädt ein zur Besichtigung unter umgekehrten Vorzeichen.
Zum Verständnis muss man weit in die Vergangenheit blicken. 1975 wurde die Sammlung des Museums nach einem jahrzentelangen unscheinbaren Dauerprovisorium endlich in ein vorzeigbares, modernes Museum überführt. Für den Entwurf hatte man den im Range eines Rudolf Schwarz, Egon Eiermann, Fritz Leonhardt oder Hans Hollein stehenden Kölner Star-Architekten Gottfried Böhm gewonnen. Seine Idee war, das Museumsinnere in 12 Ebenen anzulegen, welche hängend an einem tragenden Stahlrahmengehäuse angebracht sind, und die die Besucher von unten nach oben erklimmen. Das ist immer noch so, es funktioniert. Architekturfans und Kritiker pilgerten damals nach Paderborn, Bürger der Stadt und Touristen rümpften die Nase oder gründeten Initiativen zum Abriss des Gebäudes. Hauptgrund für das Ansinnen war die exponierte Lage direkt vor dem Dom, dessen Anblick von nicht mehr möglich bis verschandelnd angesehen wurde, sowie die vergebene Chance, das an dieser Stelle bis 1945 existierende Fachwerkhaus nun nicht mehr rekonstruieren zu können, dem man aber noch lange nachtrauerte. Wie dem auch sei.
Der Bau strahlte trotz der äußeren Bleihülle innen Durchlässigkeit, Leichtigkeit und Transparenz aus. Nach Osten und Norden, mit Blickrichtung Dom, ließen große helle Fensterfronten in einem gliedernden Raster jede Menge Licht und Klima rein. Und so waren keine 20 Jahre nach Eröffnung vergangen, als die diversen Mängel als so unerträglich empfunden wurden, dass Museumsleitung und Träger sich zu einem 2 Jahre dauernden Umbau entschlossen, der allerdings nicht das Prinzip der hängenden Ebenen antastete. Zu den Defiziten gehörte:
- Mangelhafte konservatorische und klimatische Bedingungen – Hauptgrund für den Umbau
- Publikums-unfreundliche Lage des Haupteingangs vom Domportal-Vorplatz her
- Fehlendes Foyer, lediglich ein kleiner Wärter-Verschlag mit ein paar Garderobenhaken am zugigen Eingang
- Keine Büroräume für Personal
Der britische Architekt Michael Brawne machte dicht. Der Eingang kam von Ebene 1 im Osten nach Ebene 3 im Süden. Fenster wurden abgedunkelt, die Lochblech-Paneele an den Wänden und die vertikale Geländerlandschaft durch weiße Wandflächen mit einem durchgehenden Gestaltungselement in Form von Fugen und Eichenholzleisten ersetzt. Man befand sich auf einmal irgendwie im inneren eines Sargs und wünschte sich, dass der Deckel wieder geöffnet wird. Konservatorisch war nun alles ok, Leihgeber aus den wichtigsten Museen der Welt gaben bedenkenlos ihre Kunstschätze nach Paderborn. 1999 (mit einem Testvorlauf 1997) begann die Ära der Großausstellungen. Weil die erste gut gelaufen war, folgten weitere. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die geschmäcklerischen Eichenholzleisten nicht mehr gefielen, optisch abgemildert und weiß überstrichen wurden. Eichenholzleisten entsprachen dem Einrichtungsgeschmack der 1990er Jahre – architektonisch/gestalterisch überall sichtbar ein Tiefpunkt der Ästhetik-Geschichte, Brawne war zu früh am Zuge.
Den längsten Teil seiner Existenz an der Adresse Markt 17 zeigt sich das Interieur nun schon im Post-Brawne-Style. Zu den regelmäßigen Sonderaussstellungen werden ausstellungsbedingte Wände, Schränke, Podeste, Sockel, Kammern und Kojen ein-, aus- und umgebaut, sodass der Brawne’sche Look immer weiter vertieft und verschärft wurde und wird. Kanten, Kästen, Vertiefungen, Vorsprünge, Schrägen, Fugen und Ritzen gesellen sich zu dem optisch dominierenden Elektroschienen-Lichtsystem an den zu niedrigen Decken. Man kann sagen, das Interieur des Diözesanmuseums ist an einem Endpunkt ohne Aufenthaltsqualität angekommen. Es geht nicht mehr weiter. Man müsste Geld in die Hand nehmen, so ab 100 Millionen Euro vielleicht.
Für einige tief verwurzelte Merkmale wagt man es allerdings kaum, dem Erst-Architekten Böhm Vorwürfe zu machen – in den 1960er- und 70er Jahren hatten Deckenhöhen nun mal niedrig zu sein. Barrierefreiheit war noch nicht erfunden. Eine geordnete und großzügige Abstiegsmöglichkeit für das Publikum am Ende des 12-ebigen Aufstiegs war kein Thema.
Dieses architektonische Kleinod ließe sich bei der Museumsnacht Paderborn 2024 am 31. August zwischen 18.30 und 23.30 Uhr besichtigen und bestaunen. Das Museum zeigt sich selbst, Exponate braucht es eigentlich keine. Für Erholung und Ablenkung würde ein DJ sorgen, der Techno und House auflegt, ein Bierstand mit Früh-Kölsch und ein Soulfood Wagen vor der Tür machen gute Laune – kommt und seht.