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Unterwegs

2016 · Tour an der Ruhr

By 6. August 2016No Comments
Ein alter Wunsch geht in Erfüllung

Am 19./20. Juli 2016 war mal wieder eine größere Radtour fällig. Erst dominierte der Wunsch, irgendwo im „Süden“, den wir nicht gut kennen, zu radeln. Z.B. am Neckar, von Heidelberg bis Heilbronn. Oder, wie schon vor Jahren geplant und nie realisiert, von Trier bis Saarbrücken. Oder die letzte Etappe der Pfalz-Tour, von Landau bis Bad Bergzabern. Aber dort hätten wir am zweiten Tag nicht weiter gewusst. Zum Schluss wurde es aus praktischen Gründen etwas in der näheren Umgebung. Der Ruhrtal-Radweg auf dem flachen Abschnitt von Schwerte bis Duisburg. Es waren die beiden heißesten Tage des Jahres – wir sprechen von Temperaturen in Grad Celsius.

1. Tag (Mittwoch) Schwerte – Bochum Dahlhausen

Es dauerte eine Weile, bis wir einen kostenlosen Parkplatz in einer Innenstadt-nahen Siedlung gefunden hatten. Am deutlich heruntergekommenen Bahnhof fanden wir tatsächlich eine kleine Buchhandlung, bei der es eine Ruhrtal-Radweg-Karte zu kaufen gab, die uns gute Dienste leistete. Nix gegen GPX-Tracks, aber die Vorteile einer Karte zum Blättern überwiegen. Zur Not peilt man in Maps den aktuellen Standort und weiß wieder Bescheid. Landschaftlich hielt es sich in Höhe Schwerte-Südwest zunächst in Grenzen. Nach dem Unterqueren der A45 mussten wir den Weg wegen einer langfristigen Sperrung verlassen und  bekamen augenblicklich von entgegenkommenden Profi-Radlern Tipps für die kürzest-mögliche Umleitung. „Oben in der Kurve auf den Campingplatz abbiegen und dahinter wieder bergab“. Genau so war es. Etwa in Höhe von Lenne-Mündung und einem stillgelegten RWE-Wasserkraftwerk waren wir wieder auf dem Hauptweg und hatten das Gefühl, nun mitten in der Tour zu sein. Eine erste Pause machten wir bei Herdecke zwischen Hengstey- und Harkortsee, in der Nähe des attraktiven Viaduktes, den jeder kennt, und wo wir unser mitgebrachtes Butterbrot fraßen. Fasziniert waren wir im Verlauf der beiden Tage von den zahlreichen langen und vielfältigen Brücken über den Fluss und das Tal. Man hätte an einer Brückologie schreiben können.

In Wetter glaubten wir zunächst, die Stadt kurz erkunden zu wollen, aber nach ein paar Metern wurde es langweilig und wir brachen schnell auf zur Weiterfahrt. Immer wieder änderte sich das Landschaftsbild. Ganz anders als an der Weser, die zwischen Rinteln und Bursfelde irgendwie monoton gleichförmig aussieht.

Der Abschnitt entlang des kurvigen Ufers vom Kemnader See südlich der Bochumer Ruhr-Uni gefiel uns am wenigsten. Das sah zu sehr nach durchgeplantem Freizeit-Revier für den Massengeschmack aus. Bis Hattingen zog es sich hin, die Abschnitte hätten nun gefühlt kürzer sein dürfen. Auf einer stillgelegten Bahntrasse (sowas tut uns immer weh) passierten wir irgendwelche LWL-Industriedenkmäler. Man kann sich nicht um alles kümmern. Das Hotel Birschel-Mühle in Hattingen erkannten wir von Weitem. Der Birschel-Müller rief tatsächlich unterwegs an, er hätte doch noch ein Zimmer frei. Wir bedauerten. Schon woanders reserivert. Letztendlich hätten wir besser spontan „woanders“ wieder stornieren sollen und doch die Birschelmühle nehmen, aber das war uns unterwegs zu kompliziert. Die Ruhr wurde durchaus von manchen zum Baden genutzt. Anhalten war strapaziöser als Fahren, weil man ohne den Fahrtwind fast verglühlte.

In Bochum-Dahlhausen fanden wir zunächst das Hotel nicht – weil wir es nicht als solches erkannten. Das Petul-Apart erwies sich als ferngesteuerte und ohne Personal betriebene Etage mit Außen-Gang über einem relativ neuen Lidl-Markt. Außer uns waren just noch eine Mutter mit adoleszierender Tochter angekommen, die wir unterwegs schon mal getroffen hatten. Das Fenster ließ sich zwar öffnen, aber draußen ratterte auf dem Nachbar-Gelände ein sehr lautes Aggregat mit unbekannter Funktion. Nun erkundeten wir das Dorf und kauften bei REWE für abends zwei Flaschen Fiege-Pils, um in Folge des heißten Tages in der Nacht nicht zu verdursten. Anschließend fuhren wir mit der Bahn nach Hattingen, um in der Birschel-Mühle vielleicht was zu Essen zu bekommen. Natürlich hatte das Restaurant der Mühle Ruhetag. Wir tigerten weiter, bis wir zufällig am Landhaus Grum vorbeikamen, wo die Außen-Gastronomie maximal ausgebaut war. Wir entschieden uns für ein traditionell-konventionelles Gericht und zwei halbe Liter der Hausmarke. Nach Rückkehr mit der Bahn war es immer noch hell und der letzte Tagesordnungspunkt war eine Wanderung zur Küste – sorry, zum Ruhrufer, wozu man auf verschlungenen Wegen die Bahn überqueren musste. Am Ufer entdeckten wir eine Gartenkneipe vom Typ „Spanier“. Tja, das hätten wir eher wissen sollen. Das Fiege-Pils war nun reines Plichtprogramm, es rutschte nicht mehr.

2. Tag (Donnerstag) Dahlhausen – Duisburg 

Es sollte noch heißer werden, und es wurde heißer, doch zum Glück ging es über weite Strecken, wie schon gestern, im Halbschatten voran. Eine klare, noch relativ kühle Morgenstimmung wirkte wie „verzaubert“. Ab und zu schaute ein Schornstein einer längst stillgelegten Alt-Industrie aus dem Grün der Wälder und Hänge, oder eine verrostete Eisenbahnbrücke überspannte das Tal. Von Essen-Kupferdreh mit breitem Bahngelände war es nicht mehr weit bis zum Baldeney-See. Stellwerke der vielen Bahnstrecken waren mehrfach ausgebaut zu DLRG-Stationen oder Wohnraum von Individualisten. Am Baldeney-See (Hardenbergufer) gab es eine Stelle mit mehreren Imbiss-Buden. Dort bekamen wir zwei belegte Brötchen mit zwei „Pötten“ Kaffee zum unglaublichen Preis von 5 €. Kurze Zeit später sah man die Villa Hügel am Hang über dem Nordufer des Sees liegen wie die Akropolis in Athen. Am Ende des Sees kam der Anstieg zur Abteikirche Essen-Werden nicht so anstrengend, hoch und weit wie befürchtet. Wir besichtigten die Kirche mit dem Liudger-Grab in der Krypta und ließen uns vom Ortsbild und der Folkwang-Kunst-Hochschule, die im ehemaligen Barock-Kloster untergebracht ist, inspirieren. Aus einem offenen Fenster klangen Klavier-Arpeggios. Die Landschaft am Fluss wurde noch grüner, waldiger und enger. Bei Kettwig kehrten wir nicht in das Café ein, wo alle anderen ein Eis hatten. Die Landschaft wurde weiter und im Abschnitt der Unterquerung der A52 (Essen-Düsseldorf) hatten wir schon Bedenken, dass wir zuviel Sonne abkriegen würden. Also mussten wir schnell fahren, um genügend Fahrtwind zu erhalten. Von Mülheim bekamen wir nur am Rande und sehr wenig mit. Immerhin war der Radweg durchgängig barrierefrei, d.h. alle Schnellstraßen wurden unter- oder überführt.

Um nicht als Kultur-Muffel an allem vorbei zu fahren, hatten wir den zum Info-Museum ausgebauten Wasserturm in Mülheim-Styrum für einen Stop angepeilt. Es kostete 4 € Eintritt, war angenehm kühl, informativ, aber angestaubt langweilig. Kein Café, aber um die Ecke ein Imbiss, wo wir einkehrten. Es ging herrlich verpennt zu, wir saßen im Schatten und teilten uns die Bratwurst mit Kartoffelsalat sorgfältig ein, um nicht zu früh wieder aufbrechen zu müssen. Einheimische beobachteten uns. Der weitere Weg führte ca. einen Kilometer direkt an der A40 entlang, die wir schon unzählige Male mit dem Auto gefahren waren und wo wir uns in Zukunft immer wieder an diese Radtour erinnern würden. Bei den Ruhr-Auen schwenkten wir nach links, kamen an einem römisch-inspirierten Fluss-Kraftwerk vorbei und erreichten in Höhe des Zoos Duisburger Stadtgebiet. Duisburg überrascht immer wieder damit, dass es besser als sein Ruf ist, welcher stark vom ramponierten Image des Stadtteils Marxloh überlagert wird. Durch den Hauptbahnhofskomplex hindurch-schiebend kamen wir bei der breiten, sommerlich-heiteren und einladenden Fußgängerzone (Königstraße) an. Unser Ziel war das Lehmbruck-Museum, welches wir zuvor 1996 besucht hatten und das inzwischen general-renoviert war. Die Architektur war klasse, der Personal so unterkühlt wie die Emissionen der Klimaanlage. Letzter planmäßiger Tagesordnungspunkt vor der Heimreise war ein Eis in der Königstraße mit Japanerinnen am Nebentisch. Mit der Bahn ging es über die Rennstrecke nach Dortmund, dort Umstieg nach Schwerte, kurz vor Einsetzen des zu erwartenden Gewitters waren wir wieder beim Auto, welches, leider ohne das es einer geklaut hätte, in der Röntgenstraße bei der Albert-Schweitzer-Schule.