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Unterwegs

2000 · Cassis

By 20. April 2000No Comments

zu Ostern 2 Wochen in Südfrankreich

Prolog
Lieber Oppa, du wirst wie immer der erste sein, der diese Aufzeichnungen liest. Erstmals liefern wir auch gleich eine kleine Auswahl an Bildern im Datenformat JPG mit. Wir hoffen, dich damit nicht allzusehr zu langweilen. Aus den Erfahrungen der vergangenen Berichte dieser Art haben wir gelernt, dass du die Verwendung von französischen Begriffen und Ortsbezeichnungen nicht schätzt. Wir werden solche also konsequent durch entsprechende deutsche Begriffe ersetzten, oder, wo dies nicht möglich ist, eigene, deutsch klingende Wortanlehnungen erfinden. Wenn du also an verschiedenen Stellen des Textes stutzen solltest, z.B. bei „die Stadt“ o. Ä., liegt das an den gebotenen 1:1-Übersetzungen. Darüber hinaus wollen wir auch auf Anglizismen verzichten, nicht aber auf gebildete Fremdwörter. Das Schreiben fällt mechanisch schwer, da wir leider die Maus vergessen haben und den Rechenapparat nur mit dem Berührfeld bedienen können.

Freitag, 14. April 2000
Abfahrt nach viel Gerödel um 15.45 Uhr. Ziel: Zug im zentralschweizer Kanton Zug. Wir könnten selbstverständlich jetzt sämtliche 26 schweizer Kantone und Halbkantone auswendig aufzählen, wollen aber nicht angeberisch wirken und holen dies ein anderes mal nach. Die Autobahn war nicht leer, hatte aber leider auch keine längeren Staus. Viele Urlauber und Wohnmobilisten klüngelten rum und drückten das Tempo (Ausführliche Mecker-Einheiten über das generelle Thema Wohnmobil siehe Urlaubsaufzeichnungen von 1986, 1988, 1991, zur Zeit noch nicht digitalisiert sondern nur als Fotokopie abrufbar). Das touristische Rahmenprogramm bestand aus einem Butterbrot auf einer Raststätte südlich von Mannheim. Ab Karlsruhe wurde es dunkel. Wir hörten Elsässisches Radio. Dem Programm war deutlich anzuhören, dass es streng nach staatlich genehmigten Quoten zusammengestellt war: 30 % englisch-sprachiges Liedgut nach dem Geschmack junger Leute, 30 % französisch-sprachige Lieder mit Klavier-Begleitung und 40 % französisch-sprachige Lieder von Interpreten, die mit knödeliger Stimme zur 12-Saiten-Gitarre das Letzte an Gefühl und Leidenschaft aus sich herauspressen. Vergleiche Michel Sardou (Entschuldigung: „Michael sah Dich“). Leider hatten wir keine Schweiz-Landkarte und mussten nach der Erinnerung fahren. Die Erinnerung führte über Zürich. Dort war trotz vorgerückter Stunde auf den Strassen der Bär los. Die Wegweisung war chaotisch und wir gurkten kreuz und quer durch die Stadt, weil es nur wenige Richtungsweisungen gab: Basel kam nicht in Frage, denn da kamen wir gerade her. Winterthur und St. Gallen auch nicht (Nordschweiz). Bern, Lohsann nein, da Westschweiz. Luzern und Chur wären richtig gewesen, stand auch überall, hielten wir aber für falsch, da wir diese Städte in der Ostschweiz vermuteten. Unser Ziel hiess nach wie vor: Zentralschweiz. Nach weiteren drei Runden sahen wir ein kleines Schild: Zug (Das meint eigentlich Eisenbahn, bestehend aus Lokomotive und mindestens einem Wagen dahinter). Warum die Schweizer einen Ort danach benennen, wissen wir nicht. Die Schweiz als allgemeines Gebilde wird im Eintrag für Samstag, 15.4.2000 abgehandelt. Um 23.30 Uhr standen wir nach einer kleinen Irrfahrt durch Zug vor Frans van’s Haustür. Freundliche Flurnachbarn, die gerade heimkehrten, zeigten uns, wo die Klingel war und bahnten eine Begegnung an. Bei Frans gab es ein ausgiebiges Begrüßungs-Schmal-Gespräch, eine sehr leckere Platte mit Schweizer Brot und verschiedenen Schweizer Käsen und für die Alkoholiker Schweizer Rotwein (Blauburgunder, bei uns besser bekannt als Spätburgunder). Der Abend endete mit der bei Frans üblichen Musik-Vorführung seiner aktuellen Lieblings-CD’s (CD = Kompakt-Scheibe, wäre treffender als KS bezeichnet) im Sakralraum der Wohnung. Der Altar ist die unaussprechlich teure Stereoanlage, vor der ein Musikgenuss ausgeht, welcher nur von einem einzigen Punkt erfahrbar ist: dem akkurat ausgewinkelten Lehnensessel, sprich Priestersitz. Frans hört nur Negermusik (er sagt „Dschähss“ und Requien, von denen er über 70 verschiedene hat. Wir hörten uns das – bis zur Lähmung bereits ermüdet – kommentarlos,  undankbar und  – sehr schlimm, ohne zu loben an. Wir bekamen zur Erlösung dennoch ein Nachtlager in Frans’ eigenem Schlafzimmer, während er ins Gästezimmer wechselte. Auch dort eine kleine Stereo-Anlage, bequem vom Futon-Bett aus bedienbar. Darf man eigentlich Futon-Bett sagen, oder müsste es Futonk heissen? Wir träumten von Autobahn, Käse und Dschähss.

Samstag, 15. April 2000
Zug, ja die ganze Zentralschweiz im Regen. Lausige 7°, windig. Frans holte „Gipfli“ (Helvetismen sind doch erlaubt? Denn die Übersetzung wäre Krohassongs, mithin Blätterteig-Hörnchen). Derweil wir alle duschten. Beim Frühstück hörten wir zwangsläufig Dschähss und plauderten die Themen von gestern Abend weiter, z.B. die Unterschiede zwischen der Schweiz, der Schweizer Mentalität, dem Schweizer Arbeitsleben, den Lebensbedingungen in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland und Holland. Wir sahen Fotos von Frans’ Nepal-Reise, hörten die dort erlebten Geschichten (Fazit: gut, dass wir nicht mit mussten) und machten uns langsam an den Abschied. Unsere Eindrücke von der Zentralschweiz: Ein riesiges Gewerbegebiet mit Autobahnen, Eisenbahnen und dazwischen Städte und Bauernhöfe. Alles zusammen eingebettet in einen die gesamte Zentral- und Westschweiz überdeckenden grünen Wiesenteppich. Die Kühe (Stichwort Käse, Schokolade) waren noch drinnen, da draußen zu kalt. Früher habe ich mal gelesen, dass die Häuser nur dazu da seien, die Lücken zwischen den Banken aufzufüllen, aber die Globalisierung der Wirtschaft ist auch an der Schweizer Bankenwelt nicht vorübergegangen und es scheint überwiegend nur noch die UBS zu geben. In der Westschweiz war der Anteil „Gewerbegebiet“ deutlich geringer. Mehr Bauernhöfe und Dörfer, noch mehr Landschaft. Hinter Bern kam Alpenblick auf. Wir fuhren hoch bis kurz unter die Schneegrenze. Der Panoramablick auf den Genfer See bei Lohsann kam gewaltig. Blauer Himmel, Sonne, Temperatur um die 14°. 13.15 Uhr waren wir in Frankreich. Bis 16.00 Uhr am Ziel zu sein, war wohl nicht zu schaffen. Hinter Grenoppel entschieden wir uns, nicht die Rohnetal-Autobahn zu wählen, die wir schon zig mal gefahren sind, welche auch nur müde macht, sondern die Alpen per Landstrasse zu durchqueren, ca. 120 km Landstrasse mit gewaltigen bis dramatischen Landschaftseindrücken. Höchste erreichte Höhe: 1180 m. Mit Schnee kamen wir nur als Panorama-Blick auf den 3000dern ringsum in Berührung. In einem Dorf hielten wir an und riefen von einer Fernsprechzelle die Hausbesitzerin an, sie möge mit unserer Verspätung rechnen. Der Stimme nach eine typische französische Mitt-Fünfzigerin mit deutlicher Tendenz zur Verschlampung. Es war ihr recht. Die kleinen Städte im Tal des Flusses Buh-Esch machten einen einladenden, zu unbedingtem Bleiben oder Pausieren auffordernden Eindruck, aber das lag leider nicht drin. Die Fahrt ging trotz hohen Verkehrsaufkommens recht flüssig vonstatten. Nach ein paar Runden fanden wir das Haus. Entgegen der Erwartung lag es nicht in einem exklusiven Villen-Waldviertel mit Hanglage, sondern auf einer flachen Hochebene inmitten von Wein- und Olivenfeldern, ein Neubau im ländlichen Stil in einer kleinen Häusergruppe. Ausblick: ca. 1 – 3 km Rundumblick auf die Berge. Der erste Kontakt mit den Einheimischen schlug fehl. Vor dem Haus machte sich ein älterer Herr zu schaffen. Wir zeigten ihm unser Beglaubigungsschreiben, das er sich durchlas, aber nicht reagierte. Er schüttelte den Kopf und grunzte nur. Vermutlich ein Deutsch-Hasser, wie man sie zum Glück und nach unserer Erfahrung nicht zu oft antrifft. Doch dann kamen vom hinteren Gelände Herr und Frau Ruwiherr, die Eigentümer hervor und riefen uns zu sich. Sie empfingen und freundlich, boten zu trinken an (eine scheusslich schmeckende Kampari-Atrappe) und zeigten alles. Als erstes fiel der typische französische Ferienhaus-Geruch auf. Sie redeten auf uns ein, wovon wir wenig bis nichts verstanden. Zum Schluss knöpften sie uns unseren gesamten Bestand an Euro-Schecks für die fällige Kaution ab, als Sicherheit, falls wir was kaputt machen. Aber so viele Franken, wie sie bekam, lassen sich hier gar nicht kaputt machen. Womit wir bei der Einrichtung wären. Sie entspricht dem Landesgeschmack vermutlich zu hundert Prozent, weswegen man es ihnen auch nicht weiter übel nehmen darf. Der Leitgedanke globalfranzösischen Einrichtungswillens ist, dass die Dinge alt, historisch, antik aussehen. Als indirekte Folge strahlt so etwas für sie womöglich „Gemütlichkeit“ aus. Wer weiß. Von solchem Zeug sind die Möbelhäuser hier voll. Zur Komplettierung werden noch mehr Gemütlichkeit stiftende Elemente hinzugefügt, d.h. Nippes und Kitsch, Scheusslichkeiten aller Art und Staubfänger reichlich. Was aber überhaupt keine Rolle spielt, ist der Anspruch „praktisch“. Lieber möglichst unpraktisch. Französische Selbstverständlichkeiten: Es gibt es an der Badewanne keinen Duschvorhang, wofür hat man denn einen Wischlappen. Soll man sich etwa Butter, Honig, Marmelade, Leberwurst auf das Stangen-Weissbrot schmieren? Nein. Darum braucht es auch keine Schmiermesser. Es sind aber genügend wabbelige, spitze Steakmesser vorhanden. Genausogut hätte man sich auch eine Schublade voll Stricknadeln als Besteck vorstellen können. Küchenschrank, um die mitgebrachten (Rübenkrauth) und gekauften (Nudeln, Nutella, Olivenöl) Lebensmittel unterzubringen? Fehlanzeige. Nach der Verabschiedung von Herr und Frau um 19.00 Uhr fuhren wir, ohne auch nur auf dem Klo gesessen zu haben, sofort zum nächsten Supermarkt, (für Kenner: ein „Super U“) und deckten uns mit dem Nötigsten ein. Wieder „zu Hause“, wurde eingerichtet und das Nachtmahl bereitet, Nudeln mit Tomatensosse. Danach fiel uns auf, dass wir unsere Kreditkarte, (Eurocard heisst der schlimme aber geläufige Anglizismus) seit dem Tanken im Westschweizerischen Grauholz nicht mehr gesehen hatten. Die mehrmalige Suche in allen Taschen und im Auto blieb erfolglos. Wir fuhren um 21.30 Uhr zu einer öffentlichen Fernsprechzelle und machten bei der deutschen Sperrstelle für abhanden gekommene Karten eine amtliche Meldung. Fernsprechzellen an Zeltplätzen sind stets gut ausgelastet, denn unter französischen Zelt-Urlaubern sind tragbare Fernsprechapparate noch nicht so verbreitet, wie man meinen könnte. Da wir schon mal mit dem Auto unterwegs waren, konnten wir auch gleich einen Abstecher in unsere Stadt mit dem lustigen Namen „Johannisbeere“ machen. Wir wussten, dass es dort schwierig mit Parkplätzen würde. Es gab jedoch überhaupt gar keine Parkmöglichkeit. Wir wurden auf durch Absperrgitter vorgezeichneten Wegen wie ferngesteuert durch den Ort geschleust, sahen nichts und wurden von anderen bedrängt. „Lassen Sie keine Wertgegenstände in Ihrem Fahrzeug“ lasen wir auf grossen Schildern, sogar in deutscher Sprache. O’-oh!  So war das. Müde, aber traurig gingen wir zu Bett: Vorher flog die perlonbezogene Nackenrolle raus. Bei der nachgiebigen, eine Kuhle bildenden billigen Matratze konnte man mühelos jede Stahl-Sprungfeder mit dem Rücken und dem Hintern wie Blindenschrift orten. Dafür so dünne Decken, dass auch die Verstärkung durch das im Rücken ausgebreitete Kopfkissen wenig nützte. Das „antike“ Bettgestell knarrte auch bei leisesten Bewegungen wie in einem ordinären 70er-Jahre-SAT1-Fickfilm, Samstag nachts, 1.45 Uhr. Wir schliefen schlecht, wachten um 9.00 Uhr auf und stellten durch Blick aus dem Fenster auf den wolkenverhangenen Himmel fest: Es war

Palmsonntag, 16. April 2000
Zunächst das Wetter. Den ganzen Tag, wie gesagt, wolkenverhangen. Gelegentlich tröpfelte es. Gradzahl unbekannt, höchstens 16. Sonne selten und dann nur minutenweise. Essen: belegtes Stangenweissbrot. Tagesaktivitäten: Vormittags halbstündiger Fußmarsch nach Johannisbeere. Es waren Viele unterwegs, und manche hatten, da Palmsonntag, einen echten Ölbaumzweig in der Hand. Brigitte fand einen solchen und trug ihn fortan. Wir schlichen mehrere Male kreuz und quer durch den Ort. Es roch gelegentlich lecker nach Grill, nach Knobi, nach Fisch. Wetter immer noch dürftig. Gastronomisch lag ein Kaffee drin. Wir zahlten unverschämte 36 Franken. Trinkgeld gab es daher nicht. Das Nachmittagsprogramm: Etwas essen und dann hauptsächlich frieren. Dennoch Fahrräder zusammensetzen und eine kleine Radfahrt zum Bahnhof. Es würde uns vielleicht warm werden, hofften wir. Dort oben warteten wir zwei Züge ab und fanden heraus, dass der Regionalzug nach Marßehl auch Fahrräder befördert. Gut zu wissen. Die Radfahrt zum Bahnhof war zu kurz, um schon wieder heim zu radeln, und so liessen wir uns treiben. Die Strecke führte mit vielen Aufs und Abs, die wir dank der vielen Gänge an unseren Rädern überlegen meisterten, in das westlich von Johannisbeere gelegene Gebiet der Wasserschluchten. Diese sind tiefe Küsteneinschnitte mit steil aufsteigenden Felswänden. Es gab viel zu kucken und, trotz der üblen Lichtverhältnisse, zu fotografieren. Abermals zog es uns hinab in das geschäftige, umtriebige Johannisbeere, wo wir uns in einem Strassenkaffee jeder eine Flasche koffeinhaltiges Brausewasser nach amerikanischem Rezept genehmigten. Zusammen 37 Franken, das sind etwa 12 Mark. So geht das nicht weiter. Wir werden chlorhaltiges Leitungswasser abfüllen, auf unsere Ausflüge mitnemen und auf der Hafenmauer gratis genießen. Der Rückweg ging ohne weiteres Geldausgeben bis zu einem Kreisverkehr gut, an dem wir fälschlich rechts abbogen und in ein bis dahin nicht gesehenes Tal gerieten. Als wir es bemerkten, war der Punkt-der-nicht-mehr-Rückkehr bereits überschritten und wir beschlossen nach Blick auf die Landkarte, den eingeschlagenen Umweg zu vollenden. In Serpentinen ging es, durch einsames Gelände und an zwei unheimlichen Gestalten vorbei, von denen einer sich fast als Schamverletzer herausstellte, einen Berg mehr als nötig abermals zum Bahnhof und von dort wieder hinunter auf unser Hochplatoh, das laut Angabe auf einem Schild am Hoftor immerhin auf 280* Meter Höhe liegt (*Korrektur später). Der Bahnhof von Johannisbeere liegt weit ausserhalb der Stadt, du weisst es schon, oben in den Bergen und man fragt sich daher, wer ihn überhaupt benutzt. Es verhält sich etwa wie Elsen zu Elsen Bahnhof. Kein Elsener steigt dort ein. Kurze Zeit später waren wir wieder auf der heimischen Parzelle. Manche nahmen ein heisses Bad, andere beschäftigten sich mit dem tragbaren Rechenapparat und so wurde es Nacht darüber. Nach Einbruch der Dunkelheit begann es zu regnen, was den Urlauber ärgert, den Bauern aber freut* (*Nicht alle teilen diese Ansicht). Zum Abendessen wurden Tomaten aufgeschnitten und mit Olivenöl und billigem Rotweinessig „angemacht“. Gute Nacht.

Karmontag, 17. April 2000
Das Wetter war zweigeteilt. Bis 15 Uhr bewölkt, danach wolkenfrei. Wir froren am Vormittag, setzten uns vor Langeweile in das Auto und fuhren über den Christweg, eine serpentinenreiche Bergstrecke von Johannisbeere nach „die Stadt“ mit vielen Möglichkeiten, anzuhalten und den Panoramablick von Europas angeblich höchster Steilküste zu genießen. Leider war es grauverhangen und der Wind blies mit 5 – 6 Windstärken, wofür wir nicht angezogen waren. Mehr als ein paar Sekunden kucken mit verwackelten Fotos war aus Ungemütlichkeitsgründen nicht möglich. Wir werden das bei optimalem Wetter wiederholen. Aber nicht mit dem Fahrrad, denn solche Steigungen sind uns von der Prozentzahl und von der Länge aus der ganzen Egge samt Teutoburger Wald nicht bekannt. Schon mit dem Auto wird einem mulmig bis schwindelig. Welche Erinnerungen uns mit „die Stadt“ verbinden, wollen wir hier nicht weiter ausbreiten. Es war vor 5 Jahren. Nach Schließung der großen Werft vor 10 Jahren ist es mit „die Stadt“ kontinuierlich hinab gegangen. Entweder es lag am kommunalen Niedergang oder an der Tageszeit – 12.00 Uhr mittags – oder am Wochentag – Montag – jedenfalls waren in der Fußgängerzone fast alle Läden zu und kein Schwein unterwegs. Wir bahnten uns einen Weg durch die Hundekacke, gaben uns eine Stunde der Trostlosigkeit hin, kauften eine mäßig schmeckende Blätterteig-Apfeltasche und machten uns auf die Suche nach dem riesigen Supermarkt, den wir an einem großen Kreisverkehr etwas außerhalb und oberhalb von „die Stadt“ in Erinnerung zu haben glaubten. Von welcher Kette, hatten wir vergessen, möglich wäre „Géant, Casino, Champion, Systeme U, Leclerc, Euromarché, Intermarché, Mammouth, Stoc, Auchan, Carrefour. Als ein Finden schon nicht mehr wahrscheinlich war, änderten wir das Ziel in „das-Haus-von-damals-suchen“. Aber auch dieses Vorhaben schlug zunächst fehl. Wir landeten völlig im Abseits und mussten runter bis zur Küstenstraße, um die Suche noch mal von vorn zu beginnen. Das Haus von damals war diesmal an Leute mit Saarbrückener Nummernschild vermietet. Sie hatten den Haussockel neu gestrichen. Ob sie auch die furchtbare Wohnzimmereinrichtung mit den schrecklichen schwarzen Kunstleder-Sofas rausgeschmissen hatten, blieb als offene Frage im Raum stehen. Das Supermarkt-Ziel wurde in den nächsten Ort, Sankt Zürr verschoben. Dort kauften wir für das Mittagessen und ein paar andere Dinge ein, z.B. eine Scheibe Rindfleisch zum Braten in der Pfanne und eine Scheibe Waldleberwurst, die leckerste seit Jahren, doch das muss man anerkennen. Für den Rückweg nach Hause wählten wir eine andere Strecke. Das Frieren hörte außer im Auto gar nicht richtig auf. Erst nach der sonnigen Mittagsruhe, so gegen 17.00 begannen wir uns zu bewegen auf einer Erkundungstour zu Fuss durch die nähere Umgebung. Das Licht wurde immer schöner und wir stiegen zum Fotografieren von der nach Zahlen arbeitenden Kamera auf diejenige um, in die man einen Film zur Belichtung einlegen muss. Immer wieder taten sich Impressionen auf, die die Illusion erzeugten, man befände sich im „tiefen, tiefen Süden“. Ein Phänomen, dem wir seit Jahren hinterher rennen und es doch kaum erreichen. Zwingende Elemente des tiefen, tiefen Südens: Pinien oder See-Kiefern vor tief-blauem Himmel, dunkler Asphalt auf der Strasse, rechts in 200m Entfernung eine Tankstelle der Marken Elf, Total, Agip oder Shell. Am Rande der uns umgebenden Weinfelder liegt das Weingut „Weißer Bauernhof“, dort ist Verkostung und Kauf der erzeugten Weine möglich. Wir sahen eine Wandergruppe, die bereits in gehobener Stimmung draußen auf dem Hof am verkosten war. Wir nahmen uns vor, dort bei passender Gelegenheit ein oder zwei Flaschen Weißwein zu kaufen. Automatisch zog es uns nun hinunter ans Wasser, ins Zentrum von Johannisbeere. Glaubten wir gestern noch, es sei so voll, weil Sonntag war, so wurde uns heute klar, dass es so voll ist, weil Montag ist. Wir verzichteten aus finanziellen Gründen auf ein serviertes Getränk und saßen nur schlapp auf so Stufen. Gegen 20.30 Uhr erreichten wir unser Haus. Langsam glaubten wir nicht mehr an die 280 Höhenmeter. Wahrscheinlich sind es höchstens 90 bis 100. Zum Abendessen gab es Stangenweißbrot mit der in Sankt Zürr gekauften Waldleberwurst. Ein ruhiger Abend mit nahezu vollem Mond über dem Höhenzug mit der Kapelle „Heilig Kreuz“ ging zu Ende.

Kardienstag,18. April 2000
Wetter: Den ganzen Tag strahlend blauer Himmel und wolkenlos. Ungewöhnlich klare Sicht. Und trotzdem begann der Morgen mit frieren, denn der Wind fällt von Norden recht frisch ein. Wir standen spät auf und machten uns mit dem Fahrrad auf zum Super U, um Stangenweißbrot, Wäscheklammern und Gemüse für das Mittagsmahl zu kaufen. Runter geht es ja, aber rauf ist eine arge Strapaze. Wie schon gesagt, mit unseren alten Rennrädern wäre da gar nichts zu machen gewesen, weil die die falschen Gänge hatten. Aber mit den neuen Rädern schraubt man sich im ersten Gang ganz langsam den Berg rauf. Seit wir Urlaub in Frankreich machen, also seit 1970, war so ein Stangenweißbrot immer eine Angelegenheit von 200 Gramm, aus dem man durchschnittlich 8 belegte Schnitten machen konnte. Es war mal mit glatter, mal mit scharfer Kruste, mal schlank und fest und mal breit und weich. Aber nun ist alles anders. Das Milleniumsbrot ist kürzer, dünner, und man kriegt mit Ach und Krach 6 belegte Schnitten zustande. Der Geschmack ist mit dem der vergangenen Jahrzehnte zum Glück noch relativ identisch. Nach dem Frühstück haben manche zum ersten mal in diesem Urlaub geduscht. Wir wollten eine Fußwanderung unternehmen im Gebiet der Wasserschluchten. Dazu schmierten wir zu Hause für jeden je eine Schnitte mit Emmentaler Käse, Paderborner Mettwurst und Waldleberwurst. Der Parkplatz bei den Wasserschluchten war restlos belegt. Auch die steilen Straßen in den umliegenden Wohn- und Villenvierteln boten keinen Parkplatz, und wir mussten weiter ab parken. Die eigentliche Wanderstrecke wurde mit Hilfe einer örtlichen Wanderkarte bewältigt, die uns immer wieder gute Dienste leistete. Kilometerweite Küstenpanorama-Sichten wechselten sich ab mit Einblicken in tiefe Schluchten und Täler. Und so verlief auch die gewählte Wanderstrecke. Die Wege waren teilweise nur noch an den alle paar Meter auf Felsen gemalten Wegzeichen zu erkennen. Es ging einfach die Hänge steil rauf oder runter, über Schotter- und Geröllfelder oder durch das dichte Gestrüpp. Fast alle Wanderer, denen wir begegneten, grüßten. Wir waren die Anstrengung nicht gewohnt und hatten häufig mit Knie-Schlottern zu kämpfen. Immer wieder machten wir Fotos, nur kann man den zweidimensionalen Bildern die Dramatik der Topografie leider kaum ansehen. Sie wirken nicht. Um 15 Uhr waren wir wieder zu Hause und ruhten erst mal aus. Dann kochten wir das (Nach-)Mittagessen: Paprika und Fenchel in der Pfanne gedünstet, dazu Pellkartoffeln. Als Nachtisch Karamell-Pudding aus dem Plastik-Pöttchen. Erst um 18.00 Uhr nahmen wir das touristische Programm wieder auf: Finden des Weges hinauf zur Heilig-Kreuz-Kapelle. Der eingeschlagene Weg erwies sich als falsch. Er führte ins nächste Tal und von dort aus hinunter nach Johannisbeere. Wir schauten uns bei dieser Gelegenheit diverse Speisekarten an, verglichen Preise mit dem, was wir nicht aßen und machten uns wieder an den Aufstieg nach Hause. Der Tag endete mit hungrigem Abhängen am Tisch.

Karmittwoch, 19. April 2000
Das Wetter: Wolkenlos, nicht zu warm, etwas dunstiger als gestern. Kalter Wind. Ist es der gefürchtete „Mistral“ aus den Alpen? Ist es der heisse Wüsten-Schirocko aus Nordafrika? Wir holten mit dem Fahrrad wieder Brot und Gemüse. Nach dem Frühstück legten wir eine literarische Orientierungsphase ein, d. h. Nachschlagen in diversen Reiseführern, welche lohnenden Ziele es gibt und wie weit und ob überhaupt. Für Arl war es wohl schon zu spät, da muss man früher aufstehen. Für „Aachen in der Provinz“ konnten wir uns nicht entscheiden, weil von massiven und notorischen Parkraumproblemen zu lesen war. Stadt der Museen, hieß es, die sonnendurchglühlte Hauptstadt der Provinz, seit der Antike bis heute immer von Bedeutung gewesen, usw. Vielleicht ein ander Mal. Wir kuckten in der Fahrplan-Tabelle der Eisenbahn nach und entschieden uns statt dessen für eine Bahnfahrt in das ab Bahnhof zwanzig Minuten entfernt liegende Marßehl, nach Paris die zweitgrößte Stadt des Landes, 600 v. Chr. von griechischen Seefahrern gegründet, für den Fremdenverkehr aber nicht unbedingt empfohlen, da zu laut, zu groß, zu hässlich, zu gefährlich. Also genau das richtige für Leute wie uns. Es fahren ständig Vorortzüge vom Johannisbeerer Bahnhof, dem wir ja näher liegen als der Stadt selbst, so dass man so einen Ausflug entspannt und ohne viel Planung angehen kann. Vor 5 Jahren (diese Erinnerung sei gestattet?) waren wir schon mal dort, damals aber frisch im Zustand des geklauten Fotoapparates und somit des Vorsatzes, noch mal wieder zu kommen. Gesagt, aber nicht getan. Denn das rumklüngeln am Haus zog sich inklusive Mittagessen kochen bis 15.00 Uhr hin. Wir machten nur kurz eine Expedition, um, diesmal per Rad, um endlich den Aufstieg zur Heilig-Kreuz-Kapelle zu finden. Tatsächlich gelang uns das. Es führte aber kein Weg hin, sondern nur eine Geröll-Piste durch den Wald. Die Kapelle machte enttäuschenderweise einen verlassenen Eindruck. Keine Devotionalien-Tafeln, keine Blumensträuße, keine Hinweisschilder, nix. Kein Rundumblick, sie lag von hohem Gestrüpp und Bäumen umgeben. Nur etliche Mobilfunk-Antennen auf dem Dach. Zur anderen Seite führte eine serpentinenreiche Privat-Strasse wieder runter. Wir mussten noch mal über den kleinen Gebirgszug, und die Steigung war so hart, dass wir aus Gründen der Selbstachtung zwar nicht schoben, aber zwei mal anhielten, um zu jappen. Nach einer Kaffeepause mit Blätterteig-Hörnchen brachen wir auf, um in die nette Bucht zwischen Johannisbeere und dem Wasserschluchten-Gebiet zu radeln. Die Bucht hat alles, was man für die Illusion, es wäre Hochsommer und man hätte Urlaub, braucht. Eine kurvige Strasse mit viel Verkehr, zwei Hotels auf den Klippen, zwei, drei Bars, einen miskroskopisch kleinen Kies-Strand und genügend Volk, das in Badeklamotten hin und her zirkuliert. Farben wie im Prospekt. Wir wählten die Bar mit dem größten Rundum-Überblick ohne Schicki-Micki-Attitüde und kauften jeder ein Glas koffeinhaltiges Brausewasser. Während des Sitzens verfassten wir ein Schreiben an die arme alte kranke Mutter, in welchem wir mit Rücksicht auf ihre unerfüllbaren Gelüste alle Anspielungen auf Essen, Trinken und unbeschwertes Rumspringen unterließen. Als es reichte, machten wir uns wieder davon, wissend, dass der Rückweg beschwerlich würde. Nach dem Abendessen war es noch hell und lau. Wir setzten uns in das Auto und schlugen die bisher noch nicht gefahrene Küstenstraße nach Marßehl ein, kucken, wie weit wir kommen. Der Aus- und Rundumblick war grandios, nach vorne sah man nichts, weil einem die Sonne direkt anblendete. Es gab genügend Stellen zum Anhalten, um ins Tal, in die Schluchten, aufs Meer und auf die Ausläufer der Großstadt zu kucken. Wir hielten an und sahen das maßlos hässlich angelegte Gelände der weit vor den Toren Marßehls liegenden Universität. Gut, dass es nicht dort war, wo wir studiert haben. Die Strasse war breit ausgebaut und es würde sicher möglich und lohnend sein, sie mit dem Rad zu befahren, weil man dann jederzeit zum fotografieren anhalten kann. Als wir am äußersten Südrand Marßehls ankamen, dachten wir was solls, tankten günstig Diesel und fuhren staunend die schnurgerade Prachtstraße (mehrspurige Haupt-Trasse, Grünstreifen mit Platanen, beidseitig Neben-Trassen) bis ins Zentrum, zum alten Hafen. Es gab viel zu kucken. Leider war es bis zum Ziel mittlerweile völlig dunkel geworden. Auf dem Hügel südöstlich der Innenstadt war die Kathedrale „Unsere Frau von der Wache“ mit der goldenen Marienfigur auf der Turmspitze wie allabendlich angestrahlt. In den riesigen Kreisverkehren kamen wir etwas ins Schleudern. Überall wurde gehupt. Hupen interpretieren wir vielleicht etwas zu persönlich mit „Weg hier, ihr Idioten“. Die Häuser und die Straßen erinnerten auffällig an Paris. Obwohl relativ nichts los war, mussten wir uns wegen der gigantischen Andersartigkeit des großstädtischen Treibens doch höllisch konzentrieren. Dazu die Vorstellung, direkt in einer der Hauptstädte des Verbrechens unterwegs zu sein. Schauerlich die Vorstellung, dass 1943 die Nazis zusammen und einvernehmlich mit 12000 französischen Polizisten ein ganzes Stadtviertel nahe beim Hafen in die Luft gesprengt haben, um ein undurchdringliches Gassengewirr, das als „Brutstette“ des Verbrechens galt, radikal auszulöschen. Ob man den Bewohnern damals Gelegenheit zur Evakuierung gegeben hat, wissen wir nicht. Überhaupt interessiert und die französische Geschichte dieses Jahrhunderts ziemlich. Wie und wo erfährt man mehr darüber? Wir kriegten ohne Anzuhalten, also quasi ohne touristisches Rahmenprogramm die Kurve und nahmen die Küsten-Schnellstraße, um wieder heim über den Berg (330 Höhenmeter) nach Johannisbeere zu fahren.

Gründonnerstag, 20. April 2000
Vor dem Krieg hatten wir an diesem hohen Feiertag (Geburtstag F.) immer Schulfrei. Heute darf man darüber noch nicht mal mehr offen sprechen. Nun gut. Das Wetter in relativer Höchstform zur Jahreszeit. Warm, sonnig, blauer Himmel, und kein Wind mehr. Leider nicht mehr ganz so klar, aber klar genug. Für das Stangenweißbrot hatten wir vorausschauenderweise schon gestern abend gesorgt, um heute Vormittag zeitig und relaxed die „richtige“ Fahrt nach Marßehl anzugehen. 10.20 waren wir am Bahnhof, 10.37 sollte der Zug abfahren. Diese unendliche Zeitreserve wollte genutzt sein. So hörten wir die Box ab und wurden damit wegen eines Bedien-Fehlers nicht so recht fertig. Als wir die Box abbrachen, war es schon zu spät. Alle, die wir vorher überholt hatten, standen nun in der Schlange am Schalter vor uns und kauften nicht etwa Fahrkarten, sondern wälzten Probleme, ließen sich beraten, tauschten Belege gegen andere ein und hielten den Betrieb auf. Als wir um 10.45 unsere Fahrkarten in Händen hielten, war der Zug längst weg. Traurig gingen wir fast wieder heim, doch unbeirrt standen wir dann doch irgendwie im überfüllten 12.00-Uhr-Zug. In Marßehl kauften wir einen Stadtplan und marschierten Richtung alter Hafen und weiter zum Berg mit der Kathedrale „Unsere Frau von der Wache“. Es gab im sonnigen Marßehl Unmengen schöner Restaurants mit Draußen-Betrieb, deren Besuch wir uns für später aufgehoben hatten. Der Eindruck vom rumsitzenden Publikum war: Kühl-Sein mit den Insignien Mobil-Fernsprecher, Sonnenbrille, Glatze (nur die Männer). Der Anstieg zur Kathedrale war steil und anstrengend. Wir kamen gleichzeitig mit einem Bus Japaner an und fotografierten mit denen um die Wette. Vor den Opferkerzenständern, eine der wichtigsten Einnahmequellen der kirchensteuerfreien französischen Kirchen klingelten ständig irgendwelche Mobilfernsprecher aus Handtaschen heraus. Um Mutters Genesung und der französischen Kirche willen  opferten wir eine Kerze. Nach Rückkehr in die belebten Gegenden stellten wir fest, dass es halb drei war und die Restaurants vom Hinweg alle die konservative Schiene fuhren, d. h. kein Essen mehr um diese Uhrzeit. Aber man soll ja nicht die Enttäuschung sehen, sondern die Chance, die man bekommt, hat unser alter Schef Rolf Kriescher gesagt, und wir glauben es noch heute, denn: statt eines teuren, vielleicht nur aus Nepp bestehenden Menüs begnügten wir uns mit einer Speise, der wir in den letzten zwei Jahren vergebens hinterhergelaufen und -gefragt waren: Dem „Herren-Krock“. Vor Jahren noch in ganz Frankreich in nahezu jeder Bar und Gaststätte zu haben, gilt nun als „aut“ (altmodisch, nicht mehr gefragt, peinlich, blamabel) und wurde de facto landesweit abgeschafft, auch wenn er nominell noch auf der Karte steht. Vielleicht vergleichbar mit der deutschen Hühnersuppe bzw. Ochsenschwanzsuppe (die unter der Bezeichnung „Gulaschsuppe“ noch eine Weile weiterlebte), welche, vielleicht im kongenialen Zusammenspiel mit der bekannten Bockwurst mit Brot,  (Brot = eine dreieckig geteilte halbe Scheibe ungeröstetes weißes Röstbrot) in jeder normalen deutschen Gaststätte verfügbar war, wie klein die Küche auch immer war. Was haben wir uns in den 50er Jahren nach Ochsenschwanzsuppen die Finger geleckt. Die mäßigen kamen als Trockenpulver aus der Tüte und bestanden nur aus wasserlöslichen Verdickungsmitteln mit Aromastoffen, ja, damals schon, und die besseren aus der Dose mit der Konsistenz und Farbe von feuchtem Hundefutter bzw. wenn man so will, der Ausscheidungen des Hundes. Kalt als Konzentrat genippt bereits ein Hochgenuss, aber mit Wasser verdünnt und zur Suppe erhitzt erst recht! Als unsere Kusine Käthe vor Zeiten noch in Diensten der Familie Volkenrath stand, wo sie den Haushalt führte, weil Christel, die zweite, junge Ehefrau des wiedervermählten Hausherrn und Gastwirt, Karl Volkenrath*, dazu nicht in der Lage war, hatten wir, als Nachbarkind, Hof an Hof, den ständigen und unkontrollierten Zugang zu Haushalt und Gaststube Volkenrath. An einer Wand stand eine unscheinbare Holzkiste mit einem Schnappverschluss-bewehrten Deckel. Die Kiste war in Wirklichkeit ein ausgeklügeltes Kühlsystem, in dem von oben Zugriff auf die darin gelagerten Erfrischungsgetränke bestand. Das Besondere: Bereits in den 50er Jahren oder waren es die 60er, tranken wir wie selbstverständlich Fanta. (Sprite war eine Erfindung der frühen 70er.) Das ist aber nur nebensächlich, worauf wir wirklich hinauswollen, fällt uns im Moment verdammt nicht ein, nämlich der Name eines längst untergegangenen Erfrischungsgetränks aus rein deutscher Produktion mit einer gepressten Flasche in Ringel-Optik (nein, weder Bluna, Sinalco, noch Afri-Kola, anders – ach ja, die Vorläufer-Fanta). Wann immer wir wollten, machte Käthe uns eine Dose Ochsenschwanzsuppe auf. Hühner- und Gulaschsuppe gibt es bisweilen noch an Autobahn-Raststätten. (*Was Karl Volkenrath, der 1971 vor Gram über das wahrscheinlich ehebrecherische Treiben seiner um Generationen jüngeren Frau starb, für uns trotzdem zum unsterblichen Mythos werden lässt – wir ließen uns darüber auch bereits in Urlaubsberichten 1997 und 1999 aus – war die Tatsache, dass er sich nach dem Essen die Hände entweder am Tischtuch oder an der Gardine abwischte. Wozu hatte man schließlich Personal!) Zurück zum Herren-Krock. Wir bestellten zwei Portionen, bestehend aus je zwei großen Scheiben weisses Röstbrot, in der Mitte eine Scheibe gekochter Schinken, bestrichen mit Schmierkäse, das ganze zugeklappt und mit geriebenem Käse in einem speziellen Backofen überbacken. Diese Delikatesse ist für 20 Franken, also 6 Mark zu haben. Dazu, wegen der verschärften Fastenzeit, kein Bier, sondern je eine 0,33l Flasche koffeinhaltiges Brausewasser in amerikanischer Lizenz abgefüllt. Am Tisch vor uns nahm, dem Hinterkopf nach zu urteilen, der echte Picasso Platz. Er lebt also doch noch und mischt sich in Südfrankreich unauffällig unters Volk. Damit war der offizielle Teil des Besuchs in Marßehl abgeschlossen. Wir ließen uns noch ein wenig durch die Gassen des damals nicht abgerissenen Viertels nördlich des alten Hafens treiben, sahen viele Neger und Abkömmlinge aus arabischen Völkern, statteten der Bischofskirche einen Besuch ab (Ein Marßehler Erzbischof von Anfang 19. Jh. wird offensichtlich besonders in Erinnerung behalten, die dargestellte Person auf gemalten Porträts erinnert aber eher an die unglaubwürdig smarten Bischöfe aus Hollywood-Filmen à la Donnervögel), kauften außer einer deutschen Frauenzeitschrift nichts Wesentliches mehr, obwohl in einem speziellen Seifen-Geschäft die gute Olivenseife als Bruchstück (bis zur Größe eines kompletter Schweizer Käses) uns schon gereizt hätte; und saßen um 17.45 Uhr wieder im Zug nach Johannisbeere. Der Abend verging mit Lesen der inzwischen eingetroffenen Zeitungen von Montag und Dienstag. Außerdem probierten wir etwas Neues aus: Einkaufen statt im Super U beim Johannisbeerer Friedhof im Nachbarort südlich von Johannisbeere, in Karnucks (vielleicht eine sprachliche Verballhornung im Sinne von: Karnickel). In Karnickel gibt es einen sogenannten „Zwischenmarkt“, mit dem Zeichen der drei Muskeltiere. In vergangenen Jahren haben wir überall gute Erfahrungen bei Einkäufen in Filialen von Zwischenmarkt gemacht. Nur hier gab es immer die gute, teure Nussschokolade der schweizerisch/amerikanischen Marke „kleines Nest“. Wir mussten außerdem dringend die Vorräte an Waldleberwurst auffrischen. Sie hatten jedoch keine. Als Alternative gab es Landleberwurst, von Rolf Spaßvogel stets „Patte“ genannt, im Sonderangebot für 5,49 Euro das Kilo. In Frankreich ist man mit der Euro-Auszeichnung schon weiter als bei uns. Gezahlt wird aber noch in Franken. Auch beim Gemüse sah es nicht gut aus. Von Eppeln ganz abgesehen. Unsere Schulnote: mangelhaft. Nie wieder Zwischenmarkt in Karnickel.

Karfreitag, 21. April 2000
Wetter: Nicht zu warm, nicht zu kalt, kaum windig, diesiger als gestern, mithin normal diesig. Wir klüngelten rum mit Lesen, Abwaschen und Stricken. Mittags kam die Neue Westfälische von Mittwoch. Um 16.15 gingen wir langsam runter in die Stadt, erledigten die Post (vor allem Verschicken dieses Berichts mit 15 verkleinerten Bildern auf einer Diskette an den Oppa. Da der – französischen Wörtern gleichgültig bis ablehnend gegenüberstehende Oppa den zweiten Berichtsteil – also ab heute – nicht mehr lesen wird, können wir ab sofort die korrekten französischen Begriffe und Ortsnamen verwenden) und setzen dort das Geklüngel bei schläfriger Feiertagsatmosphäre fort. Es war nicht auszumachen, ob und wann evtl. Markttag sein könnte, wo wir doch händeringend auf einen Markt angewiesen sind, um endlich gute kleine schwarze Oliven „Niçoise“ zu bekommen. Bis zum Schluss blieb außerdem unklar, ob Karfreitag auch hier als Feiertag begangen wird. Zumindest nicht von allen. Wir nahmen das Abendessen an der abendsonnebeschienenen Mauer des „Studios“ ein, ein kleiner freistehender Schuppen, der auch vermietet wird, z.Zt. aber nicht belegt ist. Insgesamt gibt der Hof 6 verschiedene Sitzpositionen her. Nach Sonnenuntergang dachten wir lange nach, wo man noch hin könnte, und die Auswahl ist nur klein: Ziele mit dem Auto sind alle viel zu weit. Mit dem Fahrrad geht wegen der fehlenden Beleuchtung nicht. Zu Fuß ist zu anstrengend und ebenfalls relativ weit. Die Idee war, mit dem Auto die Route de Crêtes zu fahren, und Cassis mit den angehenden abendlichen Lichtern von oben zu fotografieren. Los. Die Foto-Ausbeute war nur halbwegs befriedigend, weil der Grad der Diesigkeit sich nicht gerade qualitätsfördernd auswirkte. Bei völliger Dunkelheit kamen wir wieder heim.

Karsamstag, 22. April 2000
Die Nacht war geprägt von einem Tier, wahrscheinlich ein Vogel, der ab 23.00 mehrere Stunden hintereinander alle 3 Sekunden einen einsilbigen Pfeifton von sich gab. Das ganze lief so mechanisch ab, dass man bisweilen glaubte, keine Wesen, sondern irgendeine technische Automatik gäbe den Pfeifton ab. Wir machten einmal kurz das Fenster auf und machten ksch! – da hörte es ganz kurz auf. Wir schliefen ein, integrierten den Ton aber bald in unsere Träume, in welchen ein riesiger Häuserblock in Marseille nach dem Verursacher des Tons abgesucht werden musste, eine Aufgabe, die nicht klappen konnte. Irgendwann verlagerte das Tier seinen Aufenthaltsort und das Pfeifen war nur noch schwach zu hören. Das Wetter: gewohnt gut. Man gewöhnt sich schnell um, es hätte auch gewohnt schlecht bleiben können. Gegen 12 Uhr starteten wir das Tagesprogramm: Fahrt mit dem Auto nach Marignane, um von dort eine Radtour im flachen Gelände zu unternehmen. In Carnoux war erfreulicherweise ein winziger Markt im Gang, wo es kurz vor Schluss bei einem Olivenstand unter nur 3 verfügbaren Sorten immerhin auch die kleinen Niçoise gab. Aus Angst vor den Strapazen der Großstadt, und um andererseits möglichst viele überraschende Seiten der Provence zu entdecken, fuhren wir einen großen Bogen um Marseille: Über Aubagne, Auriol, Cadolive, les Pennes mit Blick auf die Breitseite des seinerzeit von Césanne* so oft gemalten Mont St. Victoire (Vorsicht, Halbwissen: vielleicht war es gar nicht Césanne, sondern ein anderer Impressionist, vielleicht ist der Mont St. Victoire auch noch nie gemalt worden). Die Streckenführung wurde nach dem Kauf der Karte 1995 anscheinend geändert, und so kamen wir mehrere Male ins Schleudern beim Zuordnen, ob schon Autobahn oder noch Nationalstraße. Zum Schluß parkten wir vor dem Krankenhaus in Marignane, weil wir das leicht wiederfinden würden und Autoknacker dort unter ärztlicher Aufsicht vermutlich nicht den Schwerpunkt ihrer Aktivität setzen würden. Mit dem Rad suchten wir den Weg durch Marignane bis zum Ufer des Etang de Berre, wo die gewählte Radstrecke direkt am Zaun des Flughafens Marseille losgehen sollte und durch eine flache Lagune auf einer sandigen Piste entlangführte. Es war wunderbar sonnig, ruhig, das Wasser des Etangs sehr klar und wir aßen das auf dem Markt in Carnoux ebenfalls gekaufte Stück Apfelkuchen (mit viel Zuckerguss und die Apfelscheiben dünn in Gratin-Manier belegt). Vor uns immer schon das Ziel vor Augen: das im Reiseführer Provence wegen seiner venezianischen Anklänge gepriesene  Hafenstädtchen Martigues. Vorher mussten wir an einer großen Raffinerieanlage von TOTAL in la Mède vorbei, die am Hang zwischen Felsen angelegt war. Ein sehr unattraktiver Ort, in dem es entsprechend chemisch und nach Sprit stank. Martigues, das wir dann irgendwann tatsächlich erreichten, hätte das Zeug gehabt, nett zu sein, wenn die Kneipen offen gewesen wären. Für die offiziellen Sehenswürdigkeiten (2. Jh. v. Chr. bis zur Barockzeit) hatten wir sowieso keinen Blick. Aber anscheinend nahm man dort den vorösterlichen Gedanken nach klassischen Karsamstag-Muster noch ernst und hatte überwiegend geschlossen. Was wollten wir dort alles zu uns nehmen: Cola, Bier, Kuchen, Moules-Frites, Steak-Frites-Salat, Croque Monsieur, Eis, Crêpe sucre, etc. Statt dessen packten wir am Ufer des Kanals Marseille á Rhone, der mitten durch Martigues führt, auf dem aber keine Schiffe mehr fahren, der statt dessen als Trainingsstrecke für Sport-Ruderer genutzt wird, unsere zwei mitgebrachten Käse/deutsche-Mettwurst-Schnitten aus. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Brigitte hatte sich alles viel netter ausgemalt, und die vorgerückte Uhrzeit – es war bereits 16 Uhr – ließ Brigitte ahnen, dass wir das Krankenhaus in Marignane nicht mehr bei Tageslicht erreichen würden. Das eigentlich Nette an Martigues war die Innenstadt, die auf einer kleinen Insel im Kanal lag und nochmals von einem klitzekleinen Kanal durchzogen war. Es erinnerte weder an Holland noch an Venedig, sah aber auch nicht wirklich provençalisch aus. Für die Rückfahrt brauchten wir bei starkem Gegenwind etwas mehr als eine Stunde, weil wir nicht über die sandige Piste durch die Lagune, sondern über die N568 fuhren, unter Inkaufnahme der ständig an einem vorbeirasenden Autos und Mopeds. Am Krankenhaus stand unser Auto ungeknackt und die Stimmung war bereits wieder soweit hergestellt, dass der Gedanke an ein touristisches Rahmenprogramm aufkam. Der Reiseführer Provence empfahl das westlich von Marseille an der sogenannten Côte bleue liegende Carry-le-Rouet. Hier liegen vor Felsen-Panorama drei hübsche Küstenorte (in gängigen Reiseführern wie alle Touristenfallen stereotyp als „Fischerorte“ bezeichnet, auch wenn in den örtlichen Marinas nur Freizeitboote und Yachten liegen), die bei uns kaum bis gar nicht bekannt sind, weil das Chemie-Industriegebiet bei Fos und der vermeintliche Moloch Marseille zu nahe liegen. Über den felsigen Höhenzug Chaîne de l’Estaque gelangten wir auf die Mittelmeerseite hinunter nach Carry. Dort war es kalt-windiger als auf der Etang-Seite. Den Bummel an der Promenade entlang empfanden nicht alle als gleichsam angenehm, manchen gefiel es überhaupt nicht, wie überall dort, wo die lokale Identität ausschließlich aus Tourismus besteht. Und so verzichteten wir aus Gründen der Einstimmigkeit abermals auf das touristische Rahmenprogramm und traten den Heimweg an, diesmal nicht hintenrum, sondern direkt durch Marseille. Vor l’Estaque machten wir Fotos von der Bucht, in l’Estaque verhinderte dichter Autoverkehr auf der Corniche bedauerlicherweise ein Anhalten und Einkehr in einer der verlockenden Straßen-Kneipen. Die Weiterfahrt auf den Vieux Port (Mittelpunkt von Marseille) zu lohnt sich aus optischen Gründen allemal. Man fährt kilometerlang die komplette Hafen-Breitseite ab. Unter dem Vieux Port hindurch führt ein Tunnel, dahinter kann man sich entscheiden, ob man den kostenpflichtigen Autobahntunnel unter der kompletten südlichen Innenstadt auswärts wählt, oder auftaucht und die südliche Corniche fährt. Wir taten letzteres und hatten das Glück, kurze Zeit später an einer Kurve eine Kneipe mit draußen-Betrieb und Blick auf das Meer plus einem freien Parkplatz anzutreffen. Diese Konstellation hatte natürlich seinen Preis. Nach dem Blick auf die großspurig verlangte Eiskarte hatten wir nicht den Mut, umzudisponieren und nur einen kleinen Café zu kaufen. Mit einer gewissen ist-jetzt-auch-egal-wenn-schon-denn-schon-Haltung bestellten wir ein Eis zu 50 Francs und ein Bier. Das Ereignis wurde ausgiebig fotografiert. Danach ging es zügig heimwärts nach Cassis. Abendessen: Nudeln mit gebratem Gemüse.

Ostersonntag, 23. April 2000
Wetter: kühl, bewölkt, mit zunehmender Tendenz zum Regnerischen. Um 10.30 nahmen wir an der „gut besuchten“ hl. Messe in der Pfarrkirche teil. Erstmals gelang es uns, die halbe Strecke zur Stadt hinunter mit dem Auto zurückzulegen, weil wir jetzt wussten, wo man noch parken konnte. Anders als bei uns schliefen die Kirchgänger nicht schon vorher ein, sondern schnatterten laut durcheinander, man begrüßte sich auch in der Kirche mit Luftküssen rechts und links vom Ohr. Wir verstanden von der „Parole du Seigneur“ wenig bis garnichts, z.B. ging das Vaterunser unbemerkt vorüber. Nur der „Friedensgruß“ war deutlich wahrnehmbar. Außer dem Kirchenchor sang kaum einer mit mit – kein Wunder, alles unbekannte Lieder, statt sich auf die Smash Hits aus dem Paderborner Anhang des Gotteslob zu konzentrieren. Als Osterattraktion nahm eine portugiesische Volkstanzgruppe in Trachten teil, die nach der Messe vor der Kirche einen Tanz darbot. Anschließend bummelten wir etwas durch den Nieselregen und kauften ein Baguette und eine hiesige Nuss-Ecke. Mittags kochten wir grüne Bohnen, Pellkartoffeln und ein dünnes Steak. Manche beendeten mit dem Genuß eines Côteaux de Aix-en-Provence Rosé offiziell die Fastenzeit. Stilechter, schöner und standesgemäßer wäre es natürlich gewesen, wenn wir den Mut aufgebracht hätten, nebenan beim Winzer  „Ferme blanche“ den Wein, auf dessen Scholle wir praktisch sitzen, zum Festmenü zu kaufen. Hernach konzentrierten wir uns auf Wetterbeobachtungen und die Streitfrage, ob Regen für den hiesigen Bauern zu diesem Zeitpunkt ein nützlicher Segen ist oder ob der Bauer eher mit den Augen des Touristen nach der Sonne kuckt. Ab 15.30 lähmte eine ausgiebige Schauertätigkeit bei niedrigen Temperaturen jegliche aushäusige Aktivität und Brigitte versuchte, einen 600-Seiten-Wälzer am Stück auszulesen. Um 18.00 Uhr hörte es mit dem Regen auf, blieb aber dunkel-verhangen. Wir starteten zu einer Abend-Tour mit dem Auto durch die Berge über Roquefort, Ceyreste, La Ciotat. Die Strecke war schön aber einsam, was man an den wenigen Autos, die unterwegs waren, merkte. Alles schien besonders grün und frisch zu sein und das kalte, nasse, neblige Wetter bot einen starken Kontrast zu dem sonst vorherrschenden heißen und steinigen Gesamteindruck. Leider vertrug Brigitte die sehr kurvige Fahrt nicht und hatte nichts davon. In La Ciotat legten wir eine Erholungspause ein und fanden die Stimmung von letzten Montag bestätigt. Alles wie ausgestorben, es hatte sich in den letzten 5 Jahren fast nicht weiterentwickelt. Kurze Zeit später gab es zu Hause ein kaltes Abendessen mit Schnitten und Salat.

Ostermontag, 24. April 2000
Der Tag begann mit einer Schnecke, die auf dem Klo saß. Brigitte musste sie wegmachen. Das Wetter: ganz anders als gestern: Strahlend blauer Himmel, aber kalt und windig. Wir holten mit dem Rad Brot vom Super U. Zum letzten Mal, denn jetzt wissen wir, dass auch der Campingplatz auf unserer Höhe ein „Depot de Pain“ hat, und wir nicht mehr beim U mit dem unfreundlichen Personal einkaufen müssen. Das Tageshauptprogramm war eine Wanderung zur Calanque Port Miou. Wir versuchten zunächst, den Weg durch das querverbundene Tal zu finden, aber der Weg führte nach wenigen Metern zurück zum Ausgangsort und uns blieb nichts anderes übrig, als die Strecke zu bewandern, die auch die Autos fahren. Bis an die Spitze der Calanquen-Halbinsel brauchten wir 2 Stunden. Unterwegs bestaunten wir an der kleinen Bucht den hochsommerlichen Badebetrieb, wo man auf dem winzigen kiesigen Strand enaneinander lag wie an der Adria in den 60er Jahren (oder heute noch?). Selbst ein Strandspaziergang an der Wasserkante wäre nicht mehr möglich gewesen. Ebenfalls bestaunten wir einige der Villen an der Meerseite der Calanquen-Halbinsel, nicht so sehr wegen der Häuser selbst, sondern wegen der Lage und Grundstücke. An der Spitze gab es ein Picknick. Zurück wanderten wir auf der Calanquen-Innnenseite auf dem Bootssteg entlang. An der kleinen Bucht wollten wir eigentlich, wie schon am Dienstag letzter Woche, innehalten und beim Hotel la Plage einen trinken. Aber bei der Fülle der Bucht waren die wenigen Plätze belegt und wir gingen weiter. In der Stadt war es so voll wie nie. Die Mittagessenzeit war fast vorbei, und die Leute in allen  (Größenordnung: -zig!) bis auf den letzten Platz belegten Restaurants saßen reglos und stumm vor ihren leergefressenen Tellern oder stierten in ihre halbleeren Weingläser. Manche waren noch beim Dessert. In der Bäckerei Lion kauften wir ein Stück Kuchen und, wie schon gestern, ein wirklich exzellentes Croissant. Zu Hause Essen, Kaffee trinken, Ausruhen, Lesen. Kurz entschlossen radelten wir zur Ferme Blanche und kauften zum ersten mal im Leben Wein direkt beim Winzer. 4 Flaschen Wein für 205 Francs, ein teures Vergnügen. Hoffentlich schmeckt er entsprechend. Andererseits: Hier „mussten“ wir kaufen. Die Lage an der Ecke, unser Haus mitten in deren Weinfeld, das Vorab-Lob auf die exklusive Weinlage Cassis, wenn nicht jetzt, wann dann?. Später warmes Abendessen: geschmortes Gemüse mit Nudeln und Salat. Spätprogramm: Aufbruch zum Fotografieren in der Nachbarschaft. Der Gang führte zum Bahnhof, wo wir kurz mit Magdalena und Dennfried in Dänemark sprachen, ohne viel herauszubekommen: Was macht Ihr den ganzen Tag, spielt Rolf Gitarre, habt ihr schon „Ristet Pölser gegessen, gibt es eine Sauna, wie weit ist der nächste Ort weg, gibt es einen kleinen Hafen, wie oft am Tag saugt ihr Staub, seid ihr durch den Elbtunnel gefahren, wie lange habt ihr gebraucht, gab es ein touristisches Rahmenprogramm, usw.

Dienstag, 25. April 2000
Wetter gut. Nach dem Frühstück sind einige auf den gegenüberliegenden Berg mit dem Sendemast gefahren (Anfahrt über die Route de Crête), um unser Haus von ganz oben zu fotografieren und um der Agentur Cherdo Armoric zu beweisen, dass die Katalog-Angabe „am Rande des Ortes gelegen“ falsch ist. Richtig muss es heißen: Außerhalb des Ortes in Weinfeldern gelegen. Dort oben war es wunderbar sonnig und ruhig. Keine anderen Leute störten, und die Teilnehmer der Exkursion saßen auf dem Felsen, kuckten in Ruhe rundum und fotografierten alles: unser Haus, die Wanderstrecke oberhalb der Calanquen, die 17 Swimmingpools am Hang, die steile Route. Egal. Bei Wiederholungsserien nehmen wir zum Schluss nur die besten Bilder und schmeissen die weniger guten wieder raus. Nach der Bergtour war direktes Einkaufen im Super U angesagt, Zutaten zum Mittagessen. Da unser Speck alle war, standen Lardons auf der Einkaufsliste. Im Regal gab es jedoch außer Lardons auch noch – Speck. Warum nicht Speck durch Speck ersetzen dachten wir. Man schneidet ihn in Streifen und hat Lardons. Beim U sahen wir den Winzer, bei dem wir gestern Abend den Wein gekauft hatten just in dem Moment, wo wir eine Flasche U-Wein an der Kasse zum Bezahlen präsentierten. Jetzt hieß es verstecken, was sollte der Winzer denken, wenn wir erst großspurig bei ihm kaufen und anschließend die billige Plörre aus dem Supermarkt. Der Winzer verschwand zum Glück schnell hinter dem Käse-Regal und wir machten, dass wir fort kamen. Zu Hause bekam Brigitte einen Anfall, weil der Speck nicht den geforderten Lardons entsprach, auch nicht nach einem eventuellen in-Streifen-Schneiden. Er war nicht geräuchert. Doch das war nicht das eigentliche Problem. Durch scharfes anbraten, Knoblauch, Olivenöl und Sambal würde er schon Geschmack annehmen. Aber dann. Als es in der Pfanne richtig heiß wurde, verwandelte sich der Speck in das panikerfüllte, gestresste Schwein zurück, das es vor dem Schlachten gewesen sein muss. Es fing an, derartig nach Angstschweiß zu stinken, dass uns selbst der Angstschweiß ausbrach. Doch wir versuchten tapfer zu sein und füllten den unter die gebratenen Nudeln verteilten Speck auf die Teller. Er schmeckte nicht so schlimm, wie er roch, aber mit jedem Bissen wurde uns mulmiger. Die andere, nichtverarbeitete Speckhälfte ging seinen Weg. Nach einer ausgiebigen und notwendigen Erholungspause war das Nachmittagsprogramm fällig: Fahrt mit dem Auto nach Bandol. Erste Zwischenstation war noch mal wie Vormittags der Felsen beim Sendemast, um auch denen die einmalige Aussicht zu bieten, die beim ersten mal keine Gelegenheit hatten. Man sah nachmittags anders. Z.B. war weit hinten der Mont St-Victoire zu erkennen. Auch waren wesentlich mehr Leute unterwegs. Ein Stück weiter wanderten wir ein Stück bis zum Steilabhang. In Bandol war ruhiges Promenieren angesagt. Wir parkten zunächst aus guter Erfahrung beim Bahnhof und drehten eine Runde an der gesamten Yachthafenstrecke entlang. Damals, vor 5 Jahren, lagen noch viel mehr und noch dickere Yachten hier. Dafür waren heute eindeutig das Wetter und die Stimmung besser. Wir fanden die Kneipe wieder, wo wir damals zu einem Pastis und einem kleinen Glas Rosé Unmengen von Erdnüssen dazubekommen hatten, kehrten aber woanders, im „38“ ein. In der tief stehenden Sonne tranken wir eine „Coca“ und ein Bier. Es gab wunderschöne Strandpromenaden-Kneipen, wo man exotische Leute beobachten konnte, die wirklich viel Zeit haben. Charaktervolle Fressen, alte fette Typen mit langen Matten, schwarz-verkohlte mit viel Make-up, ölige ex-Musiker oder ex-Junkies. Auf der Rückfahrt nach Cassis bescherte die Sonne ein grün-goldenes Gegenlicht, mit hell-dunkel abgestuften Bergketten und der Anspielung des tiefen, tiefen Südens. Ein Zeitung war nicht gekommen.

Mittwoch, 26. April 2000
Wetter so là là. Trotzdem sollte heute der Arles-Tag sein. Nach dem Frühstück ging es los. Nach eineinhalb Stunden waren wir wie geplant da und fanden einen Parkplatz etwas außerhalb der Innenstadt. Erster Eindruck: dank schönem Wetter kein Vergleich zum nassen, menschenleeren und ereignislosen Arles von 1995. Wir ließen uns grundsätzlich treiben und sahen nach mehrmaligem Zirkulieren fast alle Sehenswürdigkeiten, außer der Straße mit den Sarkophagen. Weil zu teuer, ließen wir die Arena, das Amphitheater und die römische Therme aus. Statt dessen besichtigten wir offiziell die Kathedrale St-Trophime und das angeschlossene Kloster mit dem „schönsten Kreuzgang der Provence“ (gab tatsächlich nichts zu meckern dran). Wir stiegen für gutes Eintrittsgeld hinab in den Kryptoportikus, eine schaurige unterirdische dreiflügelige Arkadengang-Anlage mit Nebenräumen unter einem nicht mehr vorhandenen antiken Forum von ziemlichem Ausmaß. Am beeindruckendsten waren die absolut schummrige Beleuchtung (man hatte das Gefühl, zwei Sonnenbrillen übereinander zu tragen) aus den angedeuteten ehemaligen Fenstern, die schräg über einem an den Wänden wie Kellerfenster angebracht waren sowie die wechselnden modrigen Gerüche. An manchen Stellen tropfte es von oben. Man bekam Phantasien vom Kerkerschicksal, von der Befindlichkeit als Leiche und wünschte sich wieder nach oben. Brigitte besuchte das „Museon Arlatan“, ein regionales ethnographisches Museum, bei uns hätte man Heimatmuseum gesagt. Die im Ticket- und Shopraum zu sehenden Museumspublikationen, sprich Plakate, Kurzführer, Kataloge zeigten ein sehr eigenständiges und modernes Hausdesign, das auf die gute Konzeption des Museums schon hindeutete. Die ausgestellten Exponate, z.B. Gebasteltes, Modelle, Puppen, Klösterliches waren  derartig liebevoll inszeniert, dass man sich als Besucher vor empfundener Niedlichkeit fast in die Hose machte. Leider haben wir keine Fotos davon. Bevor unsere Suche nach dem Restaurant von damals zum Erfolg führte, ließen wir uns auf einem kleinen Platz nieder, dessen Tische, an den unterschiedlichen Bestuhlungen erkennbar, zu 5 verschiedenen Restaurants gehörten. Da wo wir saßen, gab es natürlich keinen Salade Niçoise, den wir alle essen wollten. Statt dessen bestellten wir einen normalen Gemischten und das Menü des Tages: Steak, Frites, Salade. (55 Francs). Eine Weile zuvor hatten wir noch keinen Hunger: Uns ging der Anblick des kleinen Hundes nahe, der von einem Auto angefahren wurde und sich laut und grell jaulend vor Schmerzen auf der Strasse wälzte. Sie mussten ihn in ein Tuch einwickeln und zur Behandlung bringen. Nehmen wir an. Überall traf man Van Gogh. Vom Besuch des Van-Gogh-Zentrums riet der Reiseführer ab, außerdem haben wir es nicht gefunden. Gekauft haben wir eine Ansichtskarte vom Gemälde „le café, la nuit ,“ einer Kneipe, die immer noch oder wieder existierte genauso aussah. Das Flair und die Optik der Stadt waren optimal, vielleicht ein bischen zu viel Van-Gogh-Rummel. Wir machten 46 Fotos, wovon wir aber einige wieder löschen. Die Arena wirkte etwas zu überdimensioniert zwischen den engen Gassen. Das Zentrum der alljährlichen Fototreffen war geschlossen, oder sind die Treffen abgeschafft? Auf der Muss-Liste standen noch das Museum für heidnische Kunst am großen Platz neben dem Rathaus gegenüber der Kathedrale. Aber es stand kein Schild dran, und das Eingangstor wurde stundenlang demonstrativ von einem klassischen Hippie samt seiner Habe (Sack, Gitarre, Köter) belagert. Erst viel später öffnete man das Tor und drinnen, Eintritt frei, war eine Ausstellung mit scheußlicher moderner Kunst (wovon Franzosen nichts verstehen), aber nichts antik-heidnisches. Das Museum für christliche Kunst war auf allen Hinweisschildern gänzlich gestrichen. Gab es nicht mehr. Hier ausnahmsweise ein Zitat aus dem Reiseführer: „…dessen Kapelle eine nur von dem vatikanischen Sammlungen übertroffene Qualität frühchristlicher Reliefs aus der Zeit der konstantinischen Hauptstadt Arelate bietet.“ Zum Schluss kauften wir noch ein paar Tischdecken und ein Stück schwülstig riechende Lavendelseife, weil man sich der stundenlangen atmosphärischen provençalischen Bedröhnung nicht weiter entziehen konnte. Der Trend ging zum Andenken. Ohne weiteren Verzehr fuhren wir direkt die 120 km wieder nach Hause. Ab Aix fingen wir an, durch Verzicht auf die teure Autobahn unsere Barreserven zu schonen. Gleichzeitig war das Durchgangserlebnis „Provence“ auf der Landstraße natürlich viel intensiver. Gelegentlich mussten wir anhalten, um die jeweils 500 Meter Platanenallee zum Ortseingang der Strassendörfer im Abendlicht zu fotografieren. Die Bars und Cafés hatten meist schon zu. Zeitlicher Mehraufwand: ½ Stunde. All dies bisher stellte nur das kompakte Kern-Programm des Tages dar. In der ursprünglichen Planung war Arles nur einer von mehreren Punkten: Noch am Vormittag abgehakt, wäre – und wir sprechen nun für lange Zeit im Konjunktiv – die weitere Fahrt gemütlich durch die Camargue gegangen, wir hätten gekuckt, ob in St-Gilles noch das halbe Haus am „Canal du Sète-à-Rhone“ steht, ob sich in Lunel seit 1982 etwas verändert hat, wir hätten in Montpellier einen Bummel durch die Marmor-belegte Innenstadt gemacht, wären weitergefahren nach Sète. Sète, eine Hafenstadt auf einem Hügel mitten im Etang ist ein unerfülltes Reiseziel, seit wir 1962 diesen Jugendroman gelesen hatten, wo drei Jungs mit Vaters Käfer nach Marseille wollten (Autobahnen gab es noch nicht), ungewollt von der N7 auf die N9 abgekommen waren und in Sète landeten. Ein Stück Literatur, welches unser Frankreich-Bild seit Ewigkeiten geprägt hat und eine exzellente Vorbereitung war für die reale erste Frankreich-Reise 1970 mit den vier Neuhäusern; mehr dazu ein andermal. Sète sollte heute der Höhepunkt des Ausflugs werden. Zum Ausklang hätten wir uns einen Besuch in Clermont l’Herault am Lac du Salagou vorstellen können um nachzukucken,  ob in der Bar am Platz gegenüber der Kirche noch immer die Blonde bedient, wegen der Rolf Ulker 1975 dort so gern den „Café Grande“ bestellte, worauf sie ihn berichtigte „Grand Café“. Für den Rückweg hätte sich dann der Mont Ventoux gut gemacht, riskanterweise vielleicht schon in der starken Dämmerung. Abendessen in Carpentras oder Orange, ein letzter Café in Marseille am alten Hafen – ein schönes Tagesprogramm, hätte es stattgefunden.

Donnerstag, 27. April 2000
Das Wetter wusste nicht, was es wollte. Überwiegend bewölkt, fast warm, aber sehr windig mit stürmischen Böen. Mehrmals Tendenz zur Gewitterbildung, aber es kam keins. Wir kauften in Carnoux etwas ein, kochten zu Mittag: geschmorte Möhren, Pellkartoffeln, Salat, und ein aus Carnoux mitgebrachter Hähnchen-Bollen. Nachmittags lasen wir die Zeitung von Dienstag und fuhren zum Bummeln nach Cassis hinunter (Parken auf halber Strecke). Wieder lockten die Souvenir- und Killefit-Läden mit provençalischem Schnick-Schnack. Die Gastronomie-Szene hatte sich im Vergleich zu Ostermontag deutlich entspannt. Kein Gedränge, viele leere Plätze, geschlossene Kneipen. Um 18 Uhr aßen wir das mitgebrachte Gebäck zum Kaffee und vertieften uns wieder ins Lesen. Um 21 Uhr fingen wir an, Abendessen zuzubereiten. Danach lesen, lesen, lesen. Nacht fing es am regnen dran. Da das Haus keine Dachrinne hat, tropft es aus jeder Dachpfannenreihe einzeln runter. Wir mussten gegen 4 Uhr aufstehen und draußen den unter den Wassertropfen nervig klopfenden Plastikmülleimer wegziehen. Leider vergaßen wir die Gießkanne, die dem Mülleimer sehr nahe stand und es ihm gleich tat. Das Ende des Regens verschliefen wir.

Freitag, 28. April 2000
Letzter Urlaubstag. 9 Uhr Frühstück, ab 10 Uhr regnete es wieder. Die Reisegruppe war unterschiedlicher Meinung über die mutmaßliche Einschätzung des Bauern hinsichtlich des Wetters: Die einen meinten, der Bauer sorgt sich bereits um die Qualität des Weinjahrgangs 2000, weil kaltes Wetter und nasse, verregnete Böden nur eine ungenießbare saure Plörre ergäben. Die anderen glaubten dagegen, der Bauer resigniere eher deshalb, weil so ein bischen Regen im April nur vergleichbar mit dem Tropfen auf dem heißen Stein sei angesichts der generellen Tendenz zur Dürre. Überhaupt haben wir zum Wetter keine eigene Meinung, sondern sehen alles immer nur durch die Brille des Bauern. Um halb 11 donnerte es. Zur Beratung der Heimreise-Strecke legten wir die Landkarten generalstabsmäßig auf den Tisch und entschieden uns gegen Turin, Lago Maggiore und St. Gotthard. Es sollte wie schon hin, über Sisteron und Grenoble gehen, danach allerdings nicht über Lausanne und Fribourg, sondern über Yverdon und Neuchâtel. Das touristische Rahmenprogramm wird von der Reiseleitung noch geheim gehalten. Während es noch regnete, bereiteten wir aus Resten ein leckeres Mittagsmahl und zelebrierten Abschlussformalitäten, wie z.B. Aufräumen, Koffer packen, Fahrräder zerlegen, getrennten Müll zu den Containern bringen. Dabei konnten wir den aktuellen Wasserstand im Graben hinter der Einfahrt zum Grundstück überprüfen. Er war für seine Verhältnisse erfreulich gefüllt. Wenn man den Blick nicht allzu hoch anhob, hatte man kurz die Illusion, nicht 1 km vom Mittelmeer entfernt zu sein, sondern von Ostenland. Um 15.30 kam massiv die Sonne durch. Wir besichtigten zu Fuß den Camping-Platz und strebten dann zur letzten Runde am Strand und am Hafen. Es gab gute Wellen zu beobachten. In einer Strandbar nahmen wir einen Cappucino (Kaffee + Plastik-Sahne) und einen Exprèss für zusammen 30 Francs. Es ist vielleicht Geiz, aber wir kommen aus dem Staunen über die Preise nicht raus. Wieder zu Hause, begann der zweite Teil der Aufbruchaktivitäten: Auto einräumen, Haus putzen. Das verhasste Putzen. Nach einem kleinen, kalten Abendbrot war der Abschiedsbesuch beim uns ans Herz gewachsenen Bahnhof von Cassis an der Reihe. Bereits nach wenigen Metern fing es leicht an zu regnen, aber wir hatten ja einen Schirm. Während der 10 Minuten Aufenthalt auf dem Gelände der „Gare S.N.C.F.“ kamen 4 Züge, von denen wir aber im Prinzip keinen fotografieren konnten. Von dem TGV z.B. hörte man nur ein leichtes Surren, und bevor die Kamera in Aufnahmebereitschaft gebracht war, war der Zug bereits laut hupend, bebend und dröhnend durch den Bahnhof gedonnert. Wir hörten die Box an der Zelle ab und eilten heim, als sich der Regen zum Schütten auswuchs. Pitschnass kamen wir zu Hause an und mussten eine Trocknungs-Arie improvisieren.