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Unterwegs

2001 · in Amrum beim Käpt’n

By 12. Oktober 2001No Comments

Im Einraumappartment hinter der Hecke

Prolog.
Brigitte fand, dass sie mit dem Wünschen und Bestimmen dran war. Unter der einzigen Bedingung, dass es nicht Sylt sein dürfte, blieb als Nr. 2 der Wunschliste Amrum übrig. Drei Tage vor Abfahrt surften wir eine Stunde das Internet ab und sahen jede Menge stümperhaft gestaltete Seiten mit dateimäßig riesigen unscharfen Fotos, überflüssigem Geschwätz, hässlichen Bruchbuden und jeder Menge fehlenden Informationen. Daher entschlossen wir uns, wie bei allen bisherigen Amrum-Aufenthalten, die bewährte Familie Ricklefs in Steenodde, zu berücksichtigen. Frau hatte auch noch was frei, uns als wir als vertrauensbildende Maßnahme die Geschichte vom Klavier erzählten, an dessen Ankunftstag irgendwann in den achtziger Jahren auch wir zum ersten Mal ihre Gäste waren, kamen ihr Tränen der Rührung und Dankbarkeit und sie hieß uns als ihre wahrscheinlich liebsten und wichtigsten Gäste des Jahres 2001 herzlich willkommen. Was keiner in diesem Moment wusste: Wir hatten sie mit ihren Verwandten auf dem gleichen Grundstück verwechselt und waren bei ihr nie gewesen. Sie hatten nur zufällig auch ein Klavier. Jedenfalls wollte sie dafür sorgen, dass wir auf der Fähre nicht reservieren lassen mussten, sondern privilegiert als Special Guests ihres Mannes, der kein Geringerer als der Kapitän war, reisten. Gegen Kohle natürlich.

Samstag, 6. Oktober 2001
Wir brauchten von Tür zu Tür 11 Stunden. Im Jahr 1976 hatten wir die Strecke PB – Dagebüll mal mit einem 50PS-Kadett in 4,5 Stunden hingelegt. PB – Hamburg auch schon in 2 ein viertel. Viele Staus, Wartezeit vor der Fähre, knapp 3 Stunden Fährzeit von Schlüttsiel bis Amrum, alles zusammen ergab eine tüchtige Läpperung. Das touristische Rahmenprogramm war recht nett: Steinhövels Wunsch nach einem Ausstellungskatalog „Elizabeth Peyton“ aus den Deichtorhallen war Anlass, dort anzuhalten. Die Ausstellung kuckten wir uns natürlich nicht an, sondern konzentrierten uns auf das Wesentliche: Cappucino in Lara’s Museumscafeteria. Lara bediente selbst und sprach ein merkwürdig ausländisch klingendes Deutsch. Es gelang uns in ganz Hamburg nicht, die ZEIT zu kaufen. Ein Blick auf die Uhr warf alle Pläne für ein touristisches Rahmenprogramm während der Hinreise über den Haufen:

  • 11.00 Uhr: Deichtorhallen: Elizabeth Peyton.
  • 12.00 Uhr: Hamburger Kunsthalle.
  • 13.00 Uhr: Schollenfilet mit Kartoffelsalat an den Landungsbrücken St. Pauli
  • 15.00 Uhr: Schleswig: Besichtigung der Moorleiche im Landesmuseums
  • 16.00 Uhr: Gemütlicher Bummel durch Husum
  • 16.45 Uhr: Kaffeetrinken am Anleger Schlüttsiel

Beim Anleger Schlüttsiel glaubte man uns die Geschichte mit dem Kapitän nicht uns ließ uns nur an Bord, weil die Überfahrt sowieso nicht ausverkauft war. Das Klima war völlig anders als erwartet. Wir hatten mit Windstärke 6 – 8 gerechnet, waagerecht fliegendem, mit Eisbrocken verstärktem Regen und Zwangsaufenthalt auf dem „Sonnendeck“. Statt dessen fast Windstille, tropische 16 – 17 Grad und Anklänge von Sonnenuntergang. Es war nicht besonders voll an Bord. Wir genossen Bockwurst mit Kartoffelsalat und fragten uns, wem von den Mitreisenden wir in den nächsten Tagen wohl auf Schritt und Tritt wiederbegegnen würden. Die frischverliebte Erzieherin mit dem Fußballer aus Osnabrück? Die lispelnde Familie mit dem muffelnden Vater, der das dramatische Halligen-Panorama hinter seinem albernen Apple iBook ignorierte? Das Paar mit dem humpelnden Stockgänger aus Kassel? Oder die zwei Schweizer Familien aus Aargau? Man würde sehen. Es war kurz vor Mitternacht, als wir in Steenodde eintrafen. Der Kapitän persönlich zeigte uns die Gemächer und wies uns in die Gepflogenheiten ein. Das Appartement war kleiner als Udo vermutet und größer als Brigitte vermutet hatte. Da im Erdgeschoss hinter hohen Hecken in zweiter Reihe gelegen, gab es leider keinen richtigen Meerblick. Überhaupt waren die Blickverhältnisse enttäuschend, da die Vegetatur an Üppigkeit stark zugelegt hatte. Überall große Heckenrosenhecken mit dicken Hagebutten dran. Knappes, abgezähltes Geschirr (Wofür brauchen 2 Leute mehr als zwei Teller), dafür aber Bettwäsche und sogar Handtücher. Fußbodenheizung. Kleine, eigene Terrasse mit Strandkorb. Nach einem Bubu mit Tee hielten wir Nachruhe.

Sonntag, 7. Oktober 2001
Wiederum mit einem Bubu begann der Tag. Die Sonne war weg. Wir wollten die Umgebung erkunden und quer über die Insel wandern bis zum Strand. Vor dem Start machten wir unseren Antrittsbesuch bei den anderen Ricklefs, denen von damals, und sagten dort unseren Spruch auf. Dann stellten wir fest, dass wir nachts unser Autofenster aufgelassen hatten und drinnen alles nass geregnet war. Durch Wald und Dünen ging es bis zum Kniepsand. Vieles erinnerte uns unterwegs an manches. Auf einem anderen Weg ging es zurück nach Nebel, welches sich in den vergangenen 10 – 15 Jahren kaum verändert hatte. Es war immer noch niedlich-gemütlich friesisch, aber mit zunehmend unechtem Anstrich – ging aber noch. Viel mehr Touristen als damals, als wir praktisch noch die einzigen waren. Und jetzt alles voll mit Idioten. Neue Kneipen. Zum Glück gab es „Friedrichs“ noch, mit den gekachelten Tischen. Udo schlug Brigitte den spontanen Wunsch zur Einkehr zwecks Kartoffelsuppe mit Krabben ab, was ihm später sehr sehr leid tat. Würde es jemals wieder so eine spontane Lust zur Einkehr geben? Auf dem letzten Stück, „par la Corniche“ gab es eine bescheidene Kuchenrast. Man kam zu Fuß vor Radfahrern kaum durch und wurde vom Deich gedrängt. Zu Hause als Mittagessen Nudeln mit Tomatensoße und Gurkensalat. Urlaub machen wir immer vor Erschöpfung, so dass als Haupttagesordnungspunkt meistens Schlafen auf dem Programm steht. Danach Kaffee und Kekse auf unserer eigenen Terrasse bei durchkommender Sonne. Zur Überraschung ließ sich sogar der Strandkorb benutzen. Nie zuvor hatten wir in einem Strandkorb gesessen. Toll, mit dem Klappbrett an der Seite für die Kaffeetasse. Beim Selbstauslöserbild stellten wir fest, dass die Kamera den nächtlichen Regenschauer im Auto nicht heile überstanden hatte: Die Bilder waren in der Mitte milchig trüb. Später stellten wir fest, dass es nicht daran lag, sondern bei Selbsauslöserfotos von hinten durch den Sucher Licht reinkommt. Gegen 17 Uhr brachen wir zu einem zweiten Gang auf: Par la Cote am Seezeichenhafen vorbei nach Wittdün, wo die „Uthlande“ majestätisch im Hafen lag. Es war jetzt Flut, das Watt nicht mehr zu sehen. Sicht: normal dunstig, so dass die Halligen verschwunden und Föhr sowie die Amrumer Nordspitze nur zu erahnen waren. Veränderungen seit „damals“: Der Seezeichenhafen durfte nicht mehr betreten werden. Dahinter gab es ein paar neue Bretterbuden mit geschlossenem Fischrestaurant. Der hölzene Ufersteg, seinerzeit frisch angelegt, war wieder verschwunden und statt dessen eine mit schweren Steinen befestigte Promenade entstanden. Am Hafen stellten wir fest, dass es nicht die Uthlande war, die dort lag, sondern die „Nordfriesland“. Brigitte bezweifelte, dass es überhaupt ein Schiff namens „Uthlande“ gäbe. Sie wird noch sehen. Wir wechselten über zur Kniep-Seite und erfreuten uns an der sonnigen Abendstimmung. Nach Heimkehr verlief der Abend ruhig ohne weitere Einkehr. „Tatort“ fiel aus wegen der Bombardierung von Kabul. Durch scharfes Nachdenken und Kombinieren stellten wir fest, dass wir vor der Aufdeckung eines genetisch-sittlich-familiären Skandals standen: Wenn Jan Ricklefs (hier) behauptet, das Hinrich Ricklefs (drüben) sein Koseng wäre, dann sind ihrer beiden Väter Brüder. Soweit ok. Claudia Ricklefs (hier) hatte aber am Telefon schon behauptet, Helen Ricklefs (drüben) sei ihre Kusine. Fazit: Jan und Claudia sind Geschwister, ihre vier Kinder Tina, Lasse, Lena und Bolle das Ergebnis inzüchtiger Triebhaftigkeit. Jetzt wird uns auch klar, warum wir die vier noch nicht gesehen haben: Sie werden versteckt, vermutlich weil sie 2 Köpfe, ein Bein, keine Arme bzw. Augen oder ähnlich schlimme Deformierungen haben. Die Ärmsten.
Nach über 15 Jahren Amrum-Erfahrung bleiben trotzdem noch einige Fragen offen, für die uns bei nächster Gelegenheit der Kapitän Rede und Antwort stehen sollte.

Fragen an den Kapitän

  • Wann und wo und zu welchem Spritpreis tankt das Schiff?
  • Wie finden Sie sich bei Dunkelheit zurecht?
  • Fahren Sie nur die Halligen-Strecke oder auch Föhr-Dagebüll?
  • Gab es schon mal eine Meuterei?
  • Kann man an Bord heiraten?
  • Was passiert unterwegs bei Sturmflut?
  • Bekommen Post, Müllabfuhr und Vielfahrer Rabatt?
  • Benutzen Sie GPS?
  • Wo ist der Bretter-Steg am Ufer nach Wittdün geblieben?
  • Wann und warum wurde das schwarze Hospiz hinter Norddorf abgerissen?
  • Woher bekommen die Inseln und Halligen Trinkwasser und Strom?
  • Werden die vielen Heckenrosen als Plage empfunden?
  • In einem Fernseh-Bericht über Amrum wurde das Welt-Bild der Amrumer so beschrieben: Erst kommt Amrum, dann die Nordsee, dann der Atlantik, dann Grönland (wegen der Walfisch-Fängerei) und dann Amerika. Deutschland kommt nicht vor. Letzter Fragenkomplex: Waren Sie schon mal freiwillig und aus privaten Gründen in Deutschland? Wenn ja: Haben Sie jemals den Kreis Nordfriesland verlassen?

Montag, 8. Oktober 2001
Nach einer überheizten Nacht (die Fußbodenheizung lässt sich nicht kontrollieren) ging es mit dem Auto nach Wittdün, wo wir einkaufen wollten (Flensburger, Ansichtskarten, Brot) und auf der Post zu tun hatten (Paket an Rolf). Für das zu schreibende Ansichtskarten-Volumen galt es, 5 Briefmarken zu kaufen. Kalle verlangte welche zu 51 Cent. Die extrem mürrische Postbeamtin zögerte eine Sekunde und beschied: „Haben wir nicht!“ Brigitte zeigte Verständnis für sie. Acht Wochen vor Euro-Einführung kann sie nicht wissen, was ihr Haupt-Produkt, die Briefmarke für die Postkarte, in Cent kostet. Schließlich steht es ja nur in sehr kleiner Schrift gedruckt drauf. Ansichtskarten waren überall Schrott, bis auf die bei Quedens, Filiale Wittdün. Wie schon vermutet, tat der alte Quedens hier keinen Dienst, er hatte seine Leute. Wir tranken nebenan einen Kaffee im Stehen und fuhren mit dem Auto nach Norddorf. Unser erstes Interesse galt der Konzern-Zentrale des Foto- Bildband- und Andenken-Imperiums des berühmten Georg Quedens. Wider Erwarten war Quedens auch hier, an seinem Stammsitz, nicht zu sehen. Hatte er es nicht mehr nötig? War er krank?  Tot? Am Strand war viel Neues war entstanden, was wir noch nicht kannten. Starker Südwind, von dem wir uns in Richtung Nordspitze treiben ließen. Nach kurzer Zeit war der Point-of-no-return überschritten und die zunächst nicht ins Auge gefasste Umrundung stumm beschlossene Sache. Bis zu Nordspitze zog uns der Sylt-Blick in seinen Bann, vor allem durch das Fernglas, danach Föhr-Blick, was aber nicht lohnte. Föhr kann man total vergessen. Die Umrundung zog sich hin, es tat einem alles weh, und ab der Spitze wandelte sich der Rückenwind in starken Gegenwind. Uns hielt die Hoffnung und Vorfreude auf einen Grusel-Schauer beim Anblick des unheimlichen schwarzen Hospizes am Rande der Marsch bzw. an Fuß der Dünen. Aber es war verschwunden. Man konnte noch die Zufahrt zum Gelände erahnen, wo es gestanden hatte. Das soll der Kapitän doch bitteschön mal erklären. In Norddorf zirkulierten wir noch ein wenig müde und lahm hin und her, erlagen nicht der Verlockung einer (teuren) Einkehr und entschieden uns für Fischbrötchen zum Mitnehmen. Pro Stück 6,30 DM, aber die anschließende bittere Reue bezog sich nicht auf den unverschämten Preis, sondern auf den noch 6 Stunden später anhaltenden furchtbaren Süssstoff-Koller. Nie wieder Fischbrötchen. Zu Hause zunächst Mischla, danach Tee mit Böbö. Abends (im Grunde später Nachmittag) zog es uns wieder raus. Wir wanderten an der Watten-Seite nach Wittdün, machten eine Runde durch den Hafen, wo nichts los war, noch nicht mal die Uthlande lag da, kam oder fuhr; und fanden ein Café, wo ein paar Kaputte hingen und wir ein Bier kauften. Unwahrscheinliches Glück, denn dies war nicht nur die einzige Kneipe in Wittdün, sondern auch die einzige Kneipe in ganz Amrum, wo man um diese Zeit einfach nur so ein Bier bestellen konnte, ohne gleich zum Verzehr der ganzen Speisekarte verpflichtet zu sein.

Dienstag, 9. Oktober 2001
Stark windig und abwechselnd sonnig bis bewölkt. Hauptaktivität und Höhepunkt des Urlaubs sollte heute das Mittagsmahl bei Friedrichs in Nebel sein. Wir waren früh dran und mussten noch einige Umwege einlegen, um nicht schon um halb elf am Tisch zu sitzen. Daher wanderten wir ziellos auf der Insel umher, gelangten zum Leuchtturm, wo Andrang herrschte, wir aber nur raufwollten, ohne auf den verbilligten Eintrittspreis unserer gerade nicht mitgeführten Kurkarte zu   verzichten. Nebel, Friedrichs. Eines der wenigen Häuser in Nebel, die ganz normal aussehen und nicht in diesem komischen Reetdach- und Friesenlook daherkommen. Wir waren dort 1984 mit Magdalena zum Muscheln-Essen eingekehrt und alles war so gut gewesen (Licht, Wetter, Stimmung, Interieur, Bedienung, Muscheln, Bier) dass wir den Besuch spontan auf den Nachmittag mit Waffel-Essen ausgedehnt hatten und jener Friedrichs-Besuch seitdem als Mythos eingestuft wurde. Heute stand der Mythos auf der Probe, und das ist noch immer schief gegangen. Sie hatten schwer renoviert. Friesisches war jetzt 150-prozentig friesisch, das schusselige Mädel bediente nicht mehr, sondern zwei blau uniformierte Kellner, die sich und die Gäste nicht mochten. Der Service war geräuschlos professionell, es bediente laut Quittung „Helmut“. Die Scholle war ging so, die Muschelpfanne hätten wir selbst besser hingekriegt. Es stand jetzt eine Kirchen-Besichtigung bei St. Clemens auf dem Plan. Auf dem Friedhof, bekannt wegen der barocken Grabsteine mit Seefahrer-Geschichten, ging es zu wie im Museum. Die nachhaltigste Erinnerung an frühere Amrum-Aufenthalte war wohl die Ruhe und Leere, die im Oktober nicht zutrifft. Zum Kuchen-Kaufen bei Clausen war es zu spät oder zu früh und so tigerten wir satt und müde am Watt nach Hause. Viele kamen uns entgegen. Auf See und im Hafen sah man von weitem zwei Schiffe: Eines musste die Uthlande sein. Danach blieben wir für den Rest des Tages daheim, da es an zu schütten fing, dass es auf dem Windfang-Dach nur so prasselte. Wir lasen, aßen, schauten fern.

Zehn Vorschläge, die Insel-Qualität zu erhöhen.

  1. Rigoroser Stopp des pathologisch übertriebenen Natur- Dünen- und Vogelschutzes.
  2. Beseitigung der Hauptstraße Wittdün – Norddorf. Statt dessen:
  3. Bau einer Strasse durch die Dünen von Wittdün bis zur Nordspitze, ähnlich wie auf Sylt von Rantum nach Hörnum.
  4. Bau einer weiteren Straße von Wittdün über Steenodde, Nebel, Norddorf zur Nordspitze.
  5. Bau einer Brücke von der Nordspitze nach Föhr, ähnlich der Brücken über die „Keys“ in Florida.
  6. Einrichtung einer Katamaran-Schnellfähre von der Nordspitze nach Hörnum/Sylt.
  7. Gründung und Betrieb eines Kunstmuseums von Weltrang.
  8. Abriss des Komplex „Alte Post“ in Wittdün, statt dessen Neubau eines gastronomischen Zentrums mit gutem ganztägigen Blick über das Hafentreiben.
  9. Abriss aller 70er/80er-Jahre „Flachdach-Plattenbauten“
  10. Aufbau eines S-Bahn-Netzes: Pacific Line: Wittdün – Steenodde – Nebel – Norddorf – Nordspitze, Atlantic Line: Wittdün – Leuchtturm – Satteldüne – Kniepsand – Norddorf.
  11. Rodung mehrerer Hektar Kiefernwald und Pflanzung von Laubwald.
  12. Abriss des Schwimmbades in Norddorf, statt dessen Neubau nach Vorbild der Therme in Bad Driburg, plus 50-m-Schwimmbahn.
  13. Ausbau des Leuchturms als Besucher-Magnet: Gastronomie auf der Sockel-Zone, 24-Stunden-Besichtigung.

Mittwoch, 10. Oktober 2001
Der zunächst sonnige (und windige) Tag stand unter dem Zeichen des Sylt-Besuchs. Wir machten uns früh auf den Weg nach Wittdün und hatten noch eine Stunde Zeit, dort rumzuklüngeln. Blick über den Kniepsand: Er war noch da. Der Adler-Express fuhr uns in knapp einer Stunde rüber und machte bei mäßigem Seegang mächtig Speed (24 Knoten, wie wir später von unserem Käpt’n erfuhren). In Hörnum ging es mit einem von zwei ziemlich vollen Bussen nach Westerland, wo wir Steinhövels, die dort weilten, anriefen um uns um 13 Uhr am Bahnhof abholen zu lassen. Wir hatten noch 45 Minuten Zeit und tigerten einmal die Friedrichststraße rauf und runter bis zur Strandpromenade. Gegenüber Amrum herrschte ein unvergleichlicher Rummel, obwohl es für Sylt sicher ein normaler, ruhiger Tag war. Wären wir nicht Ende ’92 schon mal dort gewesen, hätten wir einen kleinen Kulturschock erlitten. Steinhövel kam 15 Min. später und fluchte nur rum, wie doof es auf Sylt wäre. Recht hatte er. Wir fuhren zu ihnen nach Keitum. Eine Scheibe Reihenhaus mit Reetdach, Garten und geschmackloser Einrichtung, zu verantworten von Mutter Gabriel, einer Dicken, die später auf der Bildfläche erschien. Wir tranken Tee, erzählten und brachen dann zu einer gemeinsamen Tour nach Hörnum auf: Steinhövels, Angelique, Teresa, Conrad und wir. In Hörnum wurde das Wetter ungemütlich, hinderte aber nicht an einem kleinen Rundgang vom Hafen durch den Ort. Ziel: Der Fisch-Imbiss Matthiesen, wo wir eine halbe Stunde rasteten bei Fisch- und Krabbenbrötchen, Blanc-de-blanc, Fanta und Flens. Danach warteten alle am Hafen bei leichtem Regen und viel Wind auf die Ankunft des Adler-Express. Im Hafenbecken schwamm als lokale Attraktion ein niedlicher, ortsbekannter Seehund mit großen Kulleraugen. Mit viel liebem Winken wurden wir verabschiedet. Auf offener See gab es kräftigen Wellengang, so dass der Kauf einer Tasse Kaffee schon wegen der aufzubringenden Balance eine lohnende Herausforderung darstellte. Leider drehte der Skipper unnötig bei und wählte die flachere Wattenmeer-Strecke, zwischen Föhr und Amrum-Nordspitze. Daheim machten wir den Ruhigen. Brigitte litt seit der Seefahrt unter unklarem Bauch und verordnete Tee für alle.

Donnerstag, 11. September 2001
Fast den ganzen Tag über sonnig und warm. Der Käpt’n behauptete sogar, nachmittags am Strand schwimmen gewesen zu sein. Wir tigerten zum Leuchtturm zwecks Besteigung. Wir waren nicht die einzigen. Der Eintrittskartenknipser unterhielt die Wartenden mit launigen Sprüchen nach Skilehrerart. Auf den Stufen nach oben gab es immer wieder lange Staus, so dass man in Ruhe lesen konnte, wer in den vergangenen Jahren sich mit Namen und Datum auf den Backsteinen der Wände verewigt hatte. Man las Inschriften in Sütterlin, datiert bis ins Jahr 1901. 100 Jahre! Und erhalten wie neu. Wir wollen ab sofort nur noch mit Bleistift schreiben. Trotz Fernrohr entdeckten wir das Wrack der Pallas nicht. Oben war es sehr eng und voll. Bis zur Lampen-Ebene kam man nicht. Wir gingen wieder runter. Die Schlange war noch länger geworden. Wir fragten uns, warum sie nur von 8.30 bis 12.30 auf haben – von den Einnahmen bei Öffnungszeiten rund um die Uhr könnten sie den ganzen kommunalen Insel-Etat bestreiten. www.leuchtturm24.de. Es war sehr warm geworden und langsam wanderten wir durch den Wald nach Nebel, um dort eine Kleinigkeit zu essen. Wir landeten wieder bei Friedrichs, wo Helmut als Zeichen des Wiedererkennens ein kleines Lächeln für Brigitte übrig hatte. Wir bestellten nur das kleine Programm: Krabben-Schwarzbrot mit Spiegelei und Jever. Den Nachtisch nahmen wir in der Sonne im Garten von „Venezia“ zu moderaten Preisen ein. Bei Clausen noch ein Stück Kuchen für zuhause. Auf dem Rückweg am Watt entlang konnten wir dank relativ klarer Sicht und mitgebrachtem Fernglas bis Sylt kucken: Morsum und Keitum waren deutlich zu erkennen. Föhr lag zum Greifen nah. Daheim verzog sich Brigitte in den Strandkorb. Zum Abend machten wir noch mal einen kleinen Gang nach Wittdün, um etwas einzukaufen. Selbstverständlich hatten die Geschäfte schon alle zu. Eine Stunde vor Flut war der Kniepsand noch völlig trocken. Später, daheim, ging es ans Bezahlen. Wir trafen zum ersten mal die Frau aus der andern Ferienwohnung, die mit dem Auto Nummernschild ALzey. Sie reagierte auf das Stichwort Weinbau mit langen Erklärungen zur aussichtslosen Situation der pfälzischen Winzer. Ihr Rheinhessisch war noch ausbaufähig. Rainer Bormuth war ihr leider unbekannt. Der Käpt’n emfing uns in der Wohnküche bzw. Stube und bot einen Eierpunsch an: Heisses Wasser, Zucker-Ei und Rum. Wir talkten ein wenig small und verabschiedeten uns bis Samstag.

Freitag, 12. Oktober 2001
Zunächst bedeckt, ab 15 Uhr sonnig. Wir ruhten lange, kauften etwas ein und machten am Nachmittag einen langsamen Spaziergang von Norddorf über den Strand zum Muscheln-Sammeln. In Höhe des abgerissenen schwarzen Hospizes wechselten wir zur Wattenmeer-Seite. Keine Nordpitzen-Umrundung. Über den Teerdeich ging es langsam zur Teestube, wo wir uns nicht erinnern konnten, ob wir da jemals waren oder nicht – eher nicht. Wir verschoben eine erwägte Einkehr auf das Café‚ Schult in Norddorf und wurden von sogenannten Friesenwaffeln bitter enttäuscht. Es handelte sich nicht etwa um frisch gebackene Waffeln, sondern um einen trockenen Keks in Waffeloptik mit verzimteten Pflaumenmus und Plastik-Sahne, alles quietschsüss. Am Nebentisch verlangte ein Famlien-Vatter ahnungs- und instinktlos nach einem Jagertee. Das ist schlimmer, als in Köln ein Alt zu bestellen. Brigitte litt noch Stunden später unter einem Apfelstrudel mit Vanillesoße. Alle kulinarischen Erlebnisse zusammen stellten das geplante letzte Fisch-Essen sehr in Frage. Amrum: am besten für eine Woche Butterbrote von zuhause mitbringen.

Samstag, 13. Oktober 2001

Auf der Rückfahrt genossen wir wieder das Privileg, an der Warteschlange vorbei als Special Guest des Kapitäns an Bord zu dürfen. Wir lungerten in der Nähe seine Kajüte rum und wurden erwartungsgemäß eingeladen, reinzukommen und mit ihm auf der „Brücke“ einen Kaffee zu trinken. Der Kapitän machte den Lockeren, kloppte Sprüche, veteilte Halligen-Prospekte, tigerte hin und her, kramte im Schrank, während das Schiff ganz alleine nach GPS fuhr. Nah am Ziel Schlüttsiel war das Wasser so niedrig, dass er die Fähre zentimeterweise durch den Schlick bugsierte. Wie immer, waren weitere touristische Rahmenprogramme auf dem Rückweg verpönt. Gerne hätten wir mal ausgiebig Bredstedt kennengelernt.