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Dänisches Ferienhaus in Schleswig-Holstein ohne Fördeblick

Samstag, 19. November 2016 

Ruhige Anreise ohne besondere Vorkommnisse. Bei Raststätte Soltau-Süd (in Wahrheit Allertal Ost) kauften wir einen Coffee-to-go für immerhin 3,80 €, abzüglich Piss-Schein = 3,30. Auf der A7 Richtung Elbtunnel waren wir gespannt, was an Schiffen am Burchardkai liegen mochte, in dessen Hafenbecken man für ein paar Sekunden einblicken kann. Immerhin ein großes Schiff von Mærsk. Wir fuhren aus sportlich-/geisteshygienischen Gründen natürlich ohne Navi und orientierten uns am Straßenatlas und an den Schildern. Geht auch. Nach Ankunft und Auspacken fuhren wir sofort zu EDEKA in Steinbergkirche City, ein gehobener Dorfladen. Man bemühte sich sehr um uns, als wir nach dem Angebot von Landkarten fragten. Ja, sie hatten eine von „Kompass“ 1:50.000 Gebiet Flensburg/Flensborg, was uns wieder klar machte, dass Flensburg noch keine 100 Jahre deutsch ist. Der integrierte Bäcker hatte noch genau eine Thebirke (Blätterteigbrötchen mit hellem Mohn), die wir kauften, zusammen mit einem der im gesamten deutschsprachigen Ostseeraum verbreiteten sog. „Weltmeister“-Brötchen (leichtes Pappbrötchen mit Mohn). Die Backwaren wurden zum verspäteten Nachmittagskaffee bei einsetzender Dämmerung serviert.

Das Haus

Das Haus ist ein durchschnittliches, vom Typ her „dänisches“ Ferienhaus ohne besondere Dollheiten. Angeblich von 2012, die technische Einrichtung ist aber eher auf dem Niveau von 2005. Der Eigentümer hat hier 6 solcher Häuser auf dem Gelände, unseres ist das kleinste und mit dem geringsten Meerblick (Zum Vergleich: mit dem U-Boot-Periskop hat man 360° Seeblick, wir hier haben 1° Meerblick. Herr Viereck rühmt sich für energieeffizientes Bauen bis hin zum Passivhaus, wovon hier nichts zu merken ist. Statt Fußbodenheizung gibt es an den Wänden Elektro-Radiatoren, die man einzeln an- und ausschalten/regeln muss, um es notdürftig warm zu bekommen. Wenig Steckdosen, man muss sich behelfen. Gut, dass wir immer Mehrfachsteckdosen mit Verlängerungsschnur mitführen. Reichlich vorhanden ist gedankenlos im Baumarkt zusammengekauftes Bild- und Dekomaterial, welches wir stets direkt nach Ankunft in die nächste Rumpelkammer befördern, so auch heute. Das Internet wird mit Hilfe eines LTE-Routers bereitgestellt und ist einigermaßen kümmerlich und lahm. Und man wird angehalten, nicht zu viel sinnlos rumzusurfen, schon lange keine Videos, Youtube etc. zu schauen. Fatalerweise haben wir zwei wichtige Dinge zuhause gelassen: a) groß-genuche Bettwäsche und, gaaanz schlimm: unsere Edelstahl-Kaffeekanne, die immer, auch auf Radtouren und Flugreisen mitfährt. Der Blick aus dem Fenster ist, wenn man sich erst mal mit dem so gut wie nicht vorhandenen Meerblick abgefunden hat, gar nicht so schlecht: Gegenüber eine halb schleswigisch- halb preußisch anmutende Villa von 1912 mit Ziergiebel, gemütlich wirkenden Zimmern, einem schönen geschmiedeten Zaun mit Mauerwerksockel und daneben ein für diese Gegend typisches zweistöckiges ehemaliges Landwirtschaftsgebäude aus rotem Ziegelstein. Manchmal sieht man sogar Nachbarn.

Abends kochten wir aus den bei EDEKA gekauften Zutaten eine warme Mahlzeit. Dazu ein Flens. Um 21.00 Uhr verließen wir noch mal das Haus für einen kurzen Erkundungsgang im Umkreis von 200 Metern. Es war so dunkel, dass man die „Milchstraße“ gut erkennen konnte. Auf der Flensburger Förde kurvte („underway using engine“) ein größeres Schiff rum, und zwar die SIEM HELIX 2 – lt. marinetraffic.com ein „Well Intervention vessel“, was man kaum übersetzen kann. So eine Art Explorer – auf der Suche nach Öl, Gas, Fracking-Löchern oder so. Update: 160m lang; Hightech, 2016 in Flensburg für einen amerikanischen Investor gebaut zur Betreuung von Offshore-Ölbohrfeldern.

Sonntag, 20. November 2016

Eben habe ich mir die Zähne geputzt mit der grünen Zahnbürste, von der ich glaubte, es wäre meine, aber die Mutter sagte, es wäre die zum Haus gehörende, mit der man unter dem Brillenrand des Klo’s sauber macht, wenn mal was schief gelaufen ist. Morgens war das Wetter noch ok, und die Sonne strahlte Dezember-tief die architektonische Szenerie gegenüber an. Als wir das Haus verließen, war es nur noch grau. Unser Ziel war der Hafen von Langballigau, wo es mehrere Restaurants gibt und wir uns eine Einkehr vorgenommen hatten. Zunächst ging es 4 km an der Straße entlang, durch winternasse Feld- und Waldlandschaften mit dazwischen gestreuten (ehemaligen) Bauernhöfen. Architektur-stilistisch baut man die untere Etage in Backstein und die obere in Holz, dieses gerne grau angestrichen. Der Weg nahm einen unübersichtlichen Zickzack-Kurs über geteerte Wege, Schotterwege, Hohlwege, Wiesen- und Heckenpfade und Buchenwaldabschnitte, und nicht ohne ordentliche Höhenmeter. Etwa 1 km vor Langballigau fing es an zu regnen, und das angepeilte Restaurant „Strandterrasse“ übersahen wir glatt. Wir gingen weiter, wurden ziemlich nass, und wären fast in einem Laden gelandet, wo es treppauf hieß: „Wein- und Tapas-Bar“ und im Untergeschoss „Restaurant“. Zu besten Mittagszeit saß niemand drin, und niemand hinter der Verkaufstheke. Auf allen Tischen brannte eine Kerze. Dem Vorhandensein einer Verkaufstheke entnahmen wir, dass man sich konzeptionell nicht zwischen Restaurant und Fischbrötchenverkauf entscheiden konnte. Allein in einer riesigen, unterkühlten Fisch-Pommesbude zu sitzen, schien uns zu gruselig, und so nahmen wir die Suche nach dem Lieblingsrestaurant wieder auf. Die echte dänische Pølserbude am Straßenrand wäre unter normalen Umständen durchaus verlockend gewesen, aber nicht, wenn man sich nach Trockenheit, Wärme und Sitzen sehnt. Bei der „Strandterrasse“ war es insgesamt ok. Der Schef empfing uns persönlich: „Erst geht ihr zur Garderobe, zieht eure nassen Klamotten aus und dann treffen wir uns hier wieder!“ Wir speisten regionaltypisch und wählten dazu einen Prosecco für die Dame und ein Pils für den Herrn.

Nach dem Essen hatte es aufgehört zu regen. Wir wollten den schnelleren Weg über die Straße wählen, liefen aber letztendlich fast den gleichen Weg wie hinwärts. Nun hatten wir Gegenwind und mussten unsere Kaputzen festhalten. Es gab reichlich Apfelbäume, bei denen die gesamte Ernte unten am Boden lag. Bei einem hingen auch noch welche drauf, von denen es uns gelang, drei zu ernten. Auf einer Weide tummelten sich „Galloway Belt cattle“ (niedliche kleine schwarze Kühe mit weißem Mittelabschnitt im Fell). Als wir zu Hause ankamen, war es fast dunkel. Nun heult der Sturm.

Montag, 21. November 2016

Der ganze Tag war grau in grau, bei wenig Wind und Temperaturen um 8°. Unser erster Gang führte uns am winterlichen* Strand entlang bis Neukirchen-Kirche und zurück. *Winterlich heißt: Wir trafen wirklich niemand. Der Strand und vor allem der Steilhang wirkte unaufgeräumt, schmal, grau-schwarz, verwildert. Wir verzichteten auf ein Mittagessen und wählten als Tagesprogramm ein Wiedersehen mit Kappeln (Nov. 2014, ca. 30 km). Am Hafen war nichts los. Der Schnapsladen mit seltenen Aquavit-Raritäten war verschwunden. Unnötigerweise verdarb am Kai ein Schaufelraddampfer vom Typ Mississippi die Optik. Das Lieblingsrestaurant im Speicher öffnet nach einer Pause erst übermorgen wieder. Eine Einkehr war sowieso nicht geplant. In einem Angler- und Outdoor-Laden fanden wir eine stabile Top-Outdoorjacke für sagenhaft günstige 139 €, aber Größe L war in Wirklichkeit eher XXXL. Die Fußgängerzone zeigte sich erschreckend runtergekommen, feststellbar an Leerstand, und, wo noch Läden in Betrieb waren, durch massenhaft vor die Ladenfläche auf die Straße geräumte Klamottenständer, Bow-Flags und Kundenstopper. Wir fanden trotz guten Kaufwillens weder bei Guth (Klamotten/Foto) noch bei Gosch (Bücher/Deko) etwas Schönes, lediglich 2 Stück Kuchen zum Mitnehmen gegenüber bei Bäckerei Meesenburg. Frau Meesenburg konnte sich noch an uns erinnern, nachdem wir etwas nachgeholfen hatten, jedenfalls daran, dass sie vor zwei Jahren bereits den gleichen Kuchen (Typ dänisch) im Angebot hatte. Mit dem Kuchen in der Hand betraten wir eine andere Bäckerei, nämlich Günther am Hafen. Neu, in schwarz/weiß/grau durchgestylt, hell und freundlich, großzügiger Cafébereich, Blick auf die Binnenmaritimik. Wir ließen uns auf einen Kaffee nieder. Insgesamt jedoch hat Kappeln nun den Zenith unseres Wohlwollens deutlich überschritten, jedenfalls im Winter.

Obwohl es nun schon 13.30 Uhr war, wollten wir noch ein zweites Tagesziel wagen: Glückburg, 45 Km von Kappeln entfernt, nicht zu verwechseln mit Glückstadt an der Elbe. Nach etwas Suchen fanden wir den Kur-/Strandbereich. Die Stadt ist ziemlich gebirgig, und der Strand liegt am Fuß eines Steilhangs. Darüber langweilige Villen, wir spürten, wie Stillstand und Dispension sich auf uns übertrugen. Es war nix los, gar nix. In der Mitte der Strand-/Kurzone liegt ein verfallender riesiger Klotz, der bis 2010 als Miramar-Hotel betrieben und wegen fehlenden Brandschutzes und Investitionsdefiziten dann stillgelegt wurde. Die Stadt wünscht sich eine Revitalisierung, Investoren und Eigentümer können sich nicht einigen. Die Förde lag grau und abweisend, man konnte nicht um die Ecke kucken, und sowohl Flensburg als auch die offene Ostsee waren nicht zu sehen. Angenehmer und nicht so gespenstisch wirkt Glücksburg City, mit einem Minimum an Geschäftigkeit und städtischem Flair. Ein paar Läden, ein Rossmann, eine Sparkasse mit angebautem neuen EDEKA, gegenüber am Hauptplatz das neue Rathaus, welches ein schlichtes weißes Gebäude mit der Volksbank und der Tourist Info teilt, was will man mehr. Es erinnerte uns stark an die Bahnhofstraße in Bergen/Rügen, weniger an die neue Ortsmitte in Werne an der Lippe – eigentlich gar nicht. Das Bekannteste in Glücksburg ist das weiße vierflügelige Renaissance-Wasserschloss mit achteckigen Türmen, gelegen auf einem Hochplateau in einem Tümpel. Maximal in Szene gesetzt war die mit Findlingen gepflasterte Zufahrt zur Vorburg, bei der man die geschmiedeten Geländer mit adventlichem Lichterschmuck versehen hatte. In einer Budike kauften wir – mal wieder nichts. Lediglich bei EDEKA musste es eine Experimente-Schokolade sein, im Zuge der Vervollständigung der virtuellen** Schokoladensammlung. Virtuell heißt: Die Schokoladen werden nicht gesammelt, sondern schnell gefressen, mit Dokumentation per Foto. Diesmal eine Zitrone-Pfeffer-Schokolade der Marke Cachet, sowie eine Packung Kümmel-Wikingerbrot, ein Viererpack Cream Truffle Pralinés von Niederegger und ein Glas Konfitüre „Cerises Noires“ von St. Dalfour in F-47200 Marmande. Danach traten wir um 16.30 endgültig die Heimfahrt an, und nach 10 Minuten unterwegs war es stockdunkel.

Dienstag, 22. November 2016

Nach dem Frühstück – aber relativ spät – traten wir unsere kombinierte Fahrt nach Græsten, Rønshoved und Flensborg an. Das Wetter war mild und freundlich. Die Fahrt rund um Flensburg auf der B199 zog sich hin. Am Grenzübergang der B200 fanden dänische Sichtkontrollen statt. Wir wurden als harmlos eingestuft und durchgewunken. Zunächst ging es nach Græsten, um bei Superbrugsen einzukaufen: ein ziegelsteingroßes Stück dänischen Stinkkäse, Remulade, Kaffee, Schokolade, Tuborg Øl. Douwe Egberts war „so“ nicht mehr im Programm, weil Merrild nicht mehr zu Douwe Egberts gehört, sondern im Rahmen einer Merger-Rochade an Lavazza ging und nun wieder schlicht Merrild heißt. Sah aber noch irgendwie „douwig“ aus. Der Superbrugen war doof eingerichtet und uninspirierend. Zu niedrig, zu dunkel, zu durcheinander. Immerhin wurde die Maestro-Karte akzeptiert. Zweite Station: Das (leider ?) nicht gebuchte Ferienhaus am Hang mit Blick auf die Südseite der Förde, welches als Buchungsalternative zur Auswahl stand. Wir machten einen kleinen Gang über etliche Höhenmeter dorthin und fanden es unbewohnt vor, sodass konspirative Fotos sogar bis ins Wohnzimmer hinein möglich waren. Sodann fuhren wir nach Flensborg und parkten weit nördlich der absoluten Innenstadt auf einem Fördeparkplatz am historischen Hafen, um uns einiges zu Fuß zu erwandern. Gut gefiel uns die maritime Stadtkulisse, aber mit Kiel kann Flensborg bei durchaus vorhandener Vergleichbarkeit nicht ganz mithalten. Wir hielten uns reichlich in mehreren Buchhandlungen auf, in der ersten kauften wir sogar. Die Heilig-Geist-Kirche war dänisch angehaucht, aber dort fanden Konzertproben statt, wo wir nicht stören wollten. Für einen Museumsbesuch auf dem „Museumsberg“ war nicht genug Zeit, nächstes mal vielleicht. Ohne irgendwo einzukehren, gelangten wir zum Auto zurück. Als es schon stark dämmerte, so 16.20 Uhr, wechselten wir auf die Südostseite der Förde, um einen letzten Einkehrversuch zu starten. Das moderne Gebäude, welches wir von Gegenüber ausgemacht hatten, beherbergte jedoch keine Gastrobetrieb, sondern nur eine Zahnarztpraxis. Daneben war eine Fischkneipe in gehobener Preislage, in der niemand saß (16.40 Uhr) und dann entdeckten wir noch das „Mariencafé“ in der oberen Etage einer alten Villa. Das war richtig nett, gut besucht von gemischtem Publikum (jung/alt/deutsch/dänisch) und als besondere Attraktion hing alles voller gesammelter Kaffee- und Teekannen. Das Styling war plüschig-gemütlich und erinnerte ein wenig an das Literaturhaus an der Alster. Es gab „Kalte Schnauze“, die man hier Schwarzer Peter nennt. 17.30 Heimfahrt im Stockdunklen mit Zwischenstop bei EDEKA. Wieder zu Hause, scheiterten alle Versuche, die Bluetooth-Tastatur in Betrieb zu versetzten, sie ging weder am Klapprechner noch am iMac. Den aktuellen Abschnitt schreiben wir über den Klapprechner. Gut, dass genug Compis dabei sind.

Mittwoch, 23. November 2016

Ruhiges, mildes Herbstwetter, jedenfalls nicht Grau-in-Grau. Zum Frühstück holten wir ein Flensburger Tageblatt und dänische Brötchen. Auf dem Hinweg kam uns kein einziges Auto entgegen (Einsamkeitsfaktor). In Steinbergkirche oder in Streichmühle gibt es eine Bushaltestelle. Von dort aus sind es zu uns noch 8 bzw. 6 Km zu Fuß. Daher, und weil wir keine Fahrräder dabei haben, man sehe es uns nach, holen wir die Brötchen mit dem Auto, das aber nur jeden 3. Tag. Bei der Postfiliale im EDEKA, wo es die Zeitung gab, fragten wir auch nach Batterien (um einen letzen Versuch zu unternehmen, mit frischen Power-Batterien die Bluetooth-Tastatur ins Leben zurückzuholen). Das Post-Fräulein brüllte zur EDEKA-Kasse rüber: „Ey Elke, hier ist einer, der braucht Batterien. Wo habt ihr die ?“ Die diensthabende EDEKA-Kassiererin übernahm den Fall. Die Batterien nützten letztendlich auch nichts, und werden ersatzweise in den Taschenlampen ihren Dienst versehen.

Nach dem Frühstück mit den dänischen Brötchen, die hier definitiv nicht Thebirken heißen, war das Wetter immer noch herbstlich mild (mit spätwinterlich-frühlingshafter Anmutung) und wir machten einen Spaziergang par la côte bis Harnis. Dort galt es, das heute geschlossene Restaurant (geöffnet Fr/Sa/So) vor-zu checken. Es erwies sich als Exil-Elsässer oder -Schwabe, jedenfalls nicht erwartungsgemäßig ordentlich fischig: Spätzle, Schäuferle, Maultäschle, Flammküch).
Gegen Mittag mussten wir etwas gegen die Tastaturlosigkeit unternehmen und fuhren mit dem Auto nach Flensborg, wo wir süd-fördisch zwischen Versicherungskomplex und Zahnarztkomplex parkten. Beim in-die-Stadt-Wandern hatten wir so genügend maritime Impressionen. Erste Station: Saturn. Dort gab es die letzte Apple USB-Tastatur (die mit Bluetooth wollten wir ganz bestimmt nicht). Eine Runde durch die im selben Gebäude befindliche Stadtbibliothek brachte eine schöne Ernte an inspirierenden regionalen Kultur-Prospekten ein. Wir stellten fest, dass in vielen Städten die öffentlichen Bibliotheken eine Symbiose mit der unvermeidlichen Volkshochschule eingehen. Hier waren Herzbeschwerden das Thema und nicht, wie zur Zeit üblich, „Blut im Stuhl“.
Eine Einkehr versprachen wir uns von einem möglicherweise existenten Museumscafé auf dem „Museumsberg“. Fehlanzeige. Statt dessen ging es dort streng museal zu. Der Berg ist sehr hoch, sehr abgelegen und sehr unbesucht, wir waren die einzigen dort über 2 Stunden. Tapfer kämpften wir uns durch 2 Häuser mit je 3 Etagen. Sogar ein paar Exponate aus gotischer Zeit gab es zu bewundern: Löwenköppige Aquamanile, Pièten um 1250, Madonnen, Gemälde vom Typ „Öl auf Holz“ um 1500. Auch aus dem dortigen Franziskanerkloster waren Stücke des beachtlich frühen 14. Jahrhundert gerettet worden. Die Franziskaner wurden aber auch schon früh von Luther’s Freunden weggeschickt. Allesamt sahen diese Figuren sehr abgelaugt/von der rauen See mitgenommen aus, so als wären sie aus versunkenen Koggen geborgen worden und anschließend „naturbelassen“ konserviert. Nur die Abteilung „Naturkunde“ (ausgestopfte Kaninchen etc.) sparten wir uns und Rokoko zog uns die Schuhe aus. Eintritt 6 € incl. der sehr schönen Sonderausstellung „Tamer Serbay · Crossover“ waren erfreulich preiswert. Bei Tamer Serbay gab es eine interaktive Mitmach-Ecke, wo man mit Hilfe bereitliegender Materialien den Stil des Meisters nachahmen und per Handy-Foto einreichen durfte. Das Haupthaus harrte noch der Renovierung, das Nebenhaus „Christiansenhaus“ strahlte bereits im neuen Glanz. Von außen streng preußisch-beamtig wie ein Lyceum alten Typs wirkend, überrascht es drinnen mit märchenartig-neoromanischer Historismik mit einem Schuss König-Ludwig-II.
Die allfällige und wohlverdiente Einkehr mit Darboven-Kaffee und Käsekuchen bewerkstelligten wir in einer Kneipe namens „Heimathafen“ mit üppigem Förderblick und cooler Musik. Die neue Tastatur schreibt nun – Dirk würde sagen – „wie’n Möppken“.
Karte an Carola Steinhövel
Liebe Carola,
Heute waren wir auf dem „Museumsberg“ in Flensburg. Neben der Sammlung, die eher Historisches zeigt, gibt es grade zwei Sonderausstellungen: „Tamer Serbay (*1947) | Crossover“ im Haupthaus (farbintensive Malerei hinter Acrylglas unter Zweitverwendung von digital aufbereiteten Kunstwerken anderer Epochen, eher unterhaltsam) sowie „[un]beteiligt – Kunst im Dritten Reich: Aus der Sammlung des Museumsberg Flensburg“ (eher ernst und womöglich aktuell). Hier werden Werke gezeigt überwiegend regionaler Künstler und deren Stellenwert und Grad der Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus beleuchtet. Kennst du Käthe Lassen (1880–1956)? Der Tatsache, dass sie zu der Künstlerin  einen Werkband relativ neu herausgegeben haben, kann man wohl entnehmen, dass sie bei aller Ambivalenz eher zu den „Guten“ gezählt wird. Es hingen mehrere Bilder von ihr.
Liebe Grüße – Fortsetzung folgt.
Karte an Miriam und Dilbert
Liebe Miriam, lieber Dilbert
Wir in Flensborg. Ihr kennt es ja, von Besuchen bei euren Verwandten bzw. deren Erzählungen. Für uns ist es neu. Uns überrascht der hohe Grad an dänischen Einflüssen. Schön ist die Maritimik und die Ruhe auf dem Land. Immer, wenn wir etwas aus Holz sehen, denken wir an euch. Wenn wir etwas Geschnitzes oder Geschmiedetes sehen, denken wir jedoch an unseren Oppa. Wir wünschen euch noch eine schöne Zeit bis zu unserer Rückkehr.
Karte an Messdiener D.
Lieber Messdiener D., liebe Emily,
Ihr habt uns gratuliert, zum Dank bekommt ihr eine Karte aus dem schönen Flensborg, wo wir zum ersten Mal sind. Hier ist es, wie gesagt, sehr schön. Doch eigentlich wohnen wir in Steinbergkirche, Ortsteil Neukirchen, Siedlung Nieby, wo es auch sehr schön ist. Neulich waren wir drüben in Dänemark, was man von hier aus quer über die Förde sehen kann. Dort war es sehr schön. Fortsetzung folgt.
Karte an Hansheinz
Lieber Hansheinz,

Neulich gerieten wir am Fuß des auf dem steilen Berg liegenden Flensborger Amtsgerichts in eine Szene, in welche 5 Personen verwickelt waren:

  1. Brigitte: Sie ging neben mir her, wir waren auf dem Weg zum Flensborger „Museumsberg“, dessen Besuch zur Abrundung unseres touristischen Rahmenproramms gehören sollte.
  2. Kalle: Als Reiseleiter und das Vorschlagsrecht-Ausübender hatte er die Führung Richtung Museumsberg übernommen. Das Amtsgericht lag nur zufällig bzw. zwangsläufig auf der Strecke. Da er die falsche Brille aufhatte, bekam er die folgende Szene, die sich hauptsächlich zwischen den Personen 3 und 4 abspielte, nicht mit, konnte sie nicht einschätzen und auch nicht helfen, da ihm der Sachverhalt erst später von Person 1 (Brigitte) erklärt wurde.
  3. Ein armer Mann mit steifem Bein und Gehstock. Ihm fiel mehrfach das Portmonée aus der Hand oder Tasche, und da sich sein steifes Bein beim Bücken mit dem Gehstock verhedderte, kam er mit der Hand nicht zum Boden, um das Portmonée aufzuheben.
  4. Ein „zufällig“ entgegenkommender Passant, der seelenruhig und gleichgültig die erfolglosen Bemühungen von Person 3 mitbekam, aber ebenfalls nicht daran dachte, die Hilflosigkeit durch beherztes Eingreifen zu beenden.
  5. Ein weiterer Mann, der in einem Kellereingang des Amtsgerichtes stand und die Szene mit einer Videokamera filmte.

Die Einstellung wurde wiederholt und die Männer lachten, diesmal in der Variante, dass der „Arme“ niederkniete, um sich die Schuhe zu schnüren und seine Armlänge nicht bis zum Portmonée auf dem Trottoir (Gehsteig, Bürgersteig, Pflaster) reichte. Für einen Moment dachten wir, wir wären in einen Dogma-Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier geraten, aber beim Dogma-Film wird ja wohl a) nix wiederholt und b) schon lange nicht gelacht. Kalle jedoch bekam von alldem nichts mit, denn er hatte, wie gesagt, die falsche Brille auf.