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14. bis 21. Mai 2017 – Ferienwohnung in Hamburg Eimsbüttel

Dilbert schrieb eine E-Mail „Na, habt ihr euch in Hamburg schon eingelebt?“ Eher nein, das ist in einer Woche unmöglich. Hier ist, vor allem im Mai bei schönem Wetter, das absolut pralle Leben. Es tun einem die Augen weh vom Kucken. 

Die Anreise

Vor der Abfahrt, so gegen 8.50 Uhr, beteiligten wir uns im Wahllokal 101 in der Fürstenberg-Realschule an den Wahlen zum Nordrhein-Westfälischen Landtag. Wir waren nicht ganz unbefangen: Da wir während des vorausgegangenen Wahlkampfes dreimal je einen Kugelschreiber der CDU entgegengenommen hatten, waren wir verpflichtet, zum Wahlsieg der CDU beizutragen – oder wir hätten die Kugelschreiber nicht annehmen dürfen oder sie zurückgeben müssen. Beim Verlassen des Geländes begegnete uns auf seinem Weg zur Wahl unerwarteterweise – wir hätten nicht gedacht, dass er bei sowas mitmacht, und wir fragten uns, woher er überhaupt von der Wahl weiß, als bekennender Kommunikationsmuffel ohne Telefon, ohne Handy, ohne Computer und Internet – der berühmte Paderborner Ketzer vom Paderwall. Die Fahrt nach Hamburg verlief ohne Ärgernisse und Zwischenfälle. Die allfällige Pause legten wir diesmal nicht bei „Allertal“ ein, sondern auf einem schlichten Parkplatz, dessen rumpelige Zufahrt seinerzeit noch vom Führer persönlich gepflastert wurde, als am Anfang seiner Karriere noch dafür zuständig war, den Deutschen die Autobahnen zu bauen. Wegen der Kürze der Reise hatten wir auch bewusst auf das hartgekochte Reiseei verzichtet.

Sonntag, 14. Mai · Landtagswahl NRW · Muttertag

Bellalliancestraße 52, auf Anhieb ohne Navi gefunden. 5. Stock, 85 Stufen ohne Aufzug, kein Ausblick außer auf ein paar Baumkronen und einen entfernten Kirchturm. Wir stießen auf AIDA, die Putzfrau, welche sehr nett war, uns aber wieder wegschickte. Wir machten daher einen ersten spontanen Erkundungsgang von 2 1/2 Stunden an die Außenalster. Touristisches Rahmenprogramm: Ein Eis vom ambulanten „Eis-Italiener“. Das US-Konsulat lag streng gesichert hinter mehren Panzersperren. Durch den sommerlichen Park Planten un Blomen zurück. Hört sich nach nix an, aber schon auf der ersten Tour gab es wahnsinnig viel zu kucken. Dann das für unsere Verhältnisse knapp bemessene Gepäck hochschleppen: Kein Klavier, keine dicken Kameras, kein großer Compi, keine Wanderstiefel, keine Essensvorräte. Die nächste Tour sofort mit dem Rad. Hamburg wimmelte vor gut gelauntem Jungvolk, besonders im Schanzenviertel. An die Elbe bis zum Fischmarkt und dem Cruise Center, wo „Mein Schiff 6“ lag. Gegenüber beim Asia Hub kehrten wir spontan ein und fraßen Mini-Frühlingsrollen und Hähnchenfleisch-Spieße mit Salat und Erdnusssoße für schmales Geld. Zu uns gesellten sich echte Hamburger, die Slang sprachen, aber nicht sehr zutraulich waren. Wir übersahen beim Hin- und herspringen einen aufgebockten Bordstein und schrappten uns im Sturz eine Handfläche auf. Bei allen Touren bemühen wir uns, stets verschiedene Wege einzuschlagen. Zurück ging es am Stadion St. Pauli am Heiliggeistfeld her. St. Pauli hatte grade unentschieden gespielt und die Fans strömten zu den Kneipen. Zu Hause beschlossen wir eine dritte Tour an diesem Tag bzw. Abend: Wir wollten die geöffnete Apotheke am Heussweg aufsuchen, eine Packung Pflaster kaufen, um die nässende Schrappwunde zu schließen. Der Hinweg war etwas öde, aber der Rückweg dafür besser. Vierter Tagesordnungpunkt des bisherigen Hamburg-Aufenthaltes war nur noch ein Abschluss-Bier in der Kneipe unten im Haus. Das „Ratsherrn“ wird im Schanzenviertel gebraut. Während wir da in der Dämmerung unter dem Sonnenschirm saßen, kam ein Regenschauer runter, und anschließend regnete es sich ein. Groggy und mit letzter Kraft machten wir uns abends an das Entwickeln der Fotos vom Tag. Nun erfuhren wir auch, dass die Landesmutter verloren hatte und dieser Herr Laschet gewonnen hatte – ohne politisches Programm, mit Verteilen von schlichten Kugelschreibern.

Montag, 15. Mai

Nach ausgiebigem Schlaf begann der Morgen mit Einholen (zu Fuß) bei REWE, ca. 500 m entfernt. Der Weg führt durch die Fettstraße an mehreren gaaaanz niedlichen Läden vorbei, die viel Inspiration verströmten und gute Laune machten. Z.B. ein Fahrradgeschäft mit einem Rad im Schaufenster auf der Grenze von Nice-to-have zu Must-have ! Beim Bäcker namens „Nur hier!“ gab es Missverständnisse: Wir: Das Croissant hast du doch schon in die erste Tüte getan! Araber: nein, ich tue es jetzt hier in die kleine Tüte. Fazit: 2 Croissants statt einem – egal. Nach dem Frühstück radelten wir durch das Fleischviertel am Messegelände vorbei Richtung Brahmsplatz/Laeizhalle/Poolstraße. In der Schuhmanufaktur „Klemann“ sollten wir für Dilbert Maßschuhe zum Ändern abgeben. Klemann schaute uns noch vor einer etwaigen Begrüßung auf die Füße, erkannte, welch billige Ware wir anhatten und sagte – er konnte wohl nicht anders – „Sie haben billige Straßenschuhe von der Stange an. Damit betreten Sie nicht meinen Laden. Warten Sie bitte vor der Tür, Sie können durch die Sprechanlage sagen, was Sie möchten. Wir verließen den Laden und schrieben unser Anliegen auf einen Zettel, den wir einem Passanten aushändigten mit der Bitte, ihn in das Schuhgeschäft zu tragen und schnell wieder zu verschwinden. Von weitem beobachteten wir, wie Klemann uns ein Zeichen gab, das er verstanden hatte. Alsdann fanden wir nebenan das Geschäft „Gudberg Nerger“, wo es eine eigene Postkartenedition mit Sprüchen sowie internationale Kunst- und Design-Magazine gab. Leider nur Nice-to-have und weniger Must-have bzw. man wusste gar nicht, wo man mit dem Haben-wollen anfangen sollte und ließ es daher bleiben. Gudberg Nerger schreibt über sich selbst: About us. GUDBERG NERGER is a multidisciplinary think tank that develops concepts an campaigns for transmedia communication. From conception to design to production. From print to film. Form the idea to the finished product. For brands, companies, artists, thinkers and makers“ Hört sich irgendwie nicht neu und reichlich wörtlich von deutsch nach englisch übersetzt an. Wir passierten die ehemals harten Ecken von St. Pauli, ohne irgendetwas zu bemerken, das nach Etablissement oder Puff aussah. An den Landungsbrücken kauften wir einen Hamburg-Stadtplan für unter 8 €. Weiter ging es westwärts. Hinter Oevelgönne an dem schmalen, lauschigen Spazierweg entlang der Elbe unterhalb der Elbchaussee kehrten wir spontan auf der Terrasse des Restaurant Süßwasser ein: Salat mit Brot, Sonne, Blick auf die Elbe, Ruhe, gehobenes Flair und freundliche Bedienung. Bisher haben wir nur freundliche Hamburger getroffen. Unser Ziel war Blankenese. Immer zwischen Wasserkante und Steilhang entlang, mal auch durch Halbschatten oder sogar Wald. Der Blick fiel auf den Lotsenturm von Finkenwerder und auf Airbus Industries. Deren Landebahn lag offen da, allein, wir konnten sie nicht identifizieren. Bei Blankenese sahen wir von unten nur den von Bildern bekannten Look: Weiße Häuser am Hang im Grünen, wo pensionierte Kapitäne mit Prinz-Heinrich-Mützen und Bärten vor dem Haus sitzen und Pfeife rauchen. Wir legten noch eins drauf und verlängerten die Etappe bis in das nächste Bundesland: Wedel in Schleswig-Holstein, wo wir erneut einkehrten, und zwar an einer aus der Zeit gefallenen Einrichtung, die ihre große Blüte wohl in den 1950ern und ’60ern gehabt haben mochte: Die Schiffsbegrüßungsanlage Schulau. Wahnsinn. Tatsächlich wurden im Laufe der einen Stunde, wo wir da saßen, die beiden Schiffe mit unverständlichen Sprüchen, Nationalhymne und Hamburg-Lied (wie die Experten am Nachbartisch erklärten) begrüßt. Heute hat man dafür eine App (Marinetraffic.com oder Vesseltracker.com) auf dem Handy oder Tablet. Der Käsekuchen war jetzt nicht sooo super lecker und das Brötchen mit Brathering auch nur eine Pflichtaufgabe, die hiermit abgehakt ist. Der Rückweg sollte nicht wieder am Ufer langführen, sondern über die Höhe durch Blankenese City und die Elbchaussee. Man kam an tausenden Millionärsvillen vorbei. Blankenese City war die Überraschung: Weit mehr als Kapitänsvillen am Hang. Eine richtige Stadt mit Verkehr, Marktplatz, Kneipen, Geschäften, Villen, Kirchen und zufriedenen Menschen. Wir sprangen in die neugotische Kirche neben dem sehr schicken Gemeindehaus aus den 1990ern oder 2000ern, wo der Organist übte (in der Kirche). Später in Altona schauten wir uns auf dem Bahnhof um, speziell in der Bahnhofsbuchhandlung, so groß, dass wir spontan sagten: „Das ist ja mal eine Bahnhofsbuchhandlung“. Das Bahnhofsklo hatte einen Zugangsautomat mit Schranken, Eintritt 1 €, beaufsichtigt durch einen Neger. Durch die Max-Brauer-Allee, wo just ein Haupt-Wasserrohr geplatz war, gelangten wir wieder in unser kleines Eimsbüttel. Nach einer Erholungspause, es war noch lange nicht dunkel, brachen wir zur zweiten Tour des Tages bzw. Abends auf, Richtung Eppendorf. Eppendorf erwies sich nach 20 Uhr als recht öde, und schnell ging es wieder, nicht ohne uns leicht zu verfahren, Richtung Heimat. In unserer Stammkneipe „Sportfrikadelle°  unten im Haus nahmen wir ein Abendbierchen.

Dienstag, 16. Mai

Wir hatten den Wecker gestellt, um nicht wieder wichtige Bereiche des Tages zu verschlafen. Der Gang zum Brötchenholen war wie immer faszinierend: Die tollen Läden, Kneipen, Geschäftsideen. Uns fiel auf, dass Brötchen hier, anders als in Reiseführern beschrieben, nicht „Rundstücke“ heißen, sondern wie in Berlin „Schrippen“. Beim Frühstück wurde uns klar, dass wir keine Lust auf das geplante Lunch Concert in der Laeiz-Halle hatten und so wurde doch noch etwas aus dem Vertrödeln des Vormittags. Draußen regnete es bis in den späten Nachmittag. Kein Radeln heute, sondern zu Fuß durch das nasse und leere Planten un Blomen zur Hamburger Kunsthalle. 12 € Eintritt, und fotografieren durfte man alles. 3 1/2 Stunden für die obere Etage der Sammlung und mehrere moderne Ausstellungen im Erweiterungsbau. Danach drehten wir eine Runde durch den Hauptbahnhof, sammelten ein paar Prospekte bei den Deichtorhallen, drehten zu Fuß eine Runde durch die östliche Hafen City. Beim Design Xport war auch nichts los. Trotz kühler Temperaturen entschieden wir uns für ein rustikales Abendessen an den St. Pauli Landungsbrücken. Zweimal das selbe! Wieder war die Bedienung sehr nett. Im Hellen kamen wir zu Hause an, tranken aber trotzdem keinen mehr in der Sportfrikadelle.

Mittwoch, 17. Mai

Erst war es bedeckt, und ab 11 Uhr wurde es richtig warm. Als Radtour stand Wilhelmsburg / Harburg auf dem Plan. Durch die Speicherstadt und die Hafen City gelangten wir zu westlichsten Brücke über die Norder-Elbe, also die letzte Brücke vor der Nordsee. Schweres Gelände für Radfahrer. Öde Gegend, flächendeckend Baustelle mit Krachmachern, dazu extremer Schwerlast-Autoverkehr durch die Logistiker, die das Hafengelände bedienen. Äußerst lückenhafte Beschilderung. Trotz Navi-Peilung in Verbindung mit dem großen Stadtplan konnten wir mehrfach den eigenen Standpunkt nicht mehr bestimmen. Wilhelmsburg macht einen zwiespältigen Eindruck – teilweise heruntergekommen und trostlos, teilweise von Grund auf erneuert, zurückzuführen auf die Internationale Bauausstellung (beendet 2013). In einem menschenleeren sanierten Gebiet kehrten wir ein, mochten aber, wie auf Radtouren gewohnt, nicht zu Mittag essen, sondern nur Kaffee. Wieder eine nette Bedienung, die uns kurz ihre Lebensgeschichte, beginnend auf den kapverdischen Inseln, erzählte. Auch die Kneipenbesitzerin sprach bei uns vor: Sie schwärmte davon, wie gut sich Wilhelmsburg entwickelt hätte, war aber nicht in der Lage zu erklären, wie man mit dem Rad nach Harburg kommt. Den weiteren Weg mussten wir suchen, und wieder war es dieses an Industriebrachen erinnernde Gebiet, welches den Sinn solcher Rad-Unternehmungen in Zweifel zieht. Die Brücke über die Süderelbe aus dem 19. Jahrhundert war für Autos gesperrt. Wir fuhren durch das Harburger Hafengebiet und gelangten in die Innenstadt. Auffällig waren ein etwas heruntergekommener Gesamteindruck und die sehr zahlreichen Ausländer. Das wir auf mehreren Fahrad-Orientierungsschildern das Ziel „Finkenwerder“ gelesen hatten, beschlossen wir, dort hin zu fahren und auf keinen Fall den gleichen Weg wieder zurück zu nehmen. Schön war auch diese Strecke über weite Bereiche nicht. Sehr laut, sehr anstrengend. Bei Moorburg konnte man einen nicht wirklich kleinen Abstecher zur Süderelbe machen, und dort hatte man einen guten Ausblick auf die Containerschiffe im Süderelbe-Hafen. Irgendwann kamen wir in Finkenwerder an und schauten nach, an welche Eindrücke aus dem Jahr 2000 wir uns noch erinnern konnten. Da waren die beiden Kneipen. Diesmal kehrten wir bei der am Fähranleger ein, allerdings nicht für die Scholle Finkenwerder, sondern für ein Stück Kuchen. Eine halbstündige maritime Fahrt mit dem HADAG-Schiff führte uns zurück nach Hamburg. Die Strapaze war schon wieder weitgehend vergessen, sodass wir nicht den direkten Weg von St. Pauli nach Eimsbüttel nahmen, sondern zunächst die Plaza der Elbphilharmonie besuchten, und dann einen kleinen Umweg rund um die Außenalster über Klosterstern und Eppendorf im goldenen Abendlicht wählten. Beim Literaturhaus, wo wir gerne eingekehrt wären, war die Veranstaltung bereits seit geraumer Zeit angefangen. Wir hatten uns um 30 Minuten vertan. Gaststar Hannelore Hoger las aus ihren Memoiren, und da mochten wir nicht reinplatzen und rufen „Hej, wir kennen dich aus dem Fernsehen, du bist doch Bella Block!“ Ohne Ruhepause schloss sich das touristische Rahmenprogramm an: Bier und Wein im „Freischwimmer“, ca. 100 Meter von unserer Wohnung entfernt.

Donnerstag, 18. Mai

Da wir unseren guten gratis-Parkplatz nicht gefährden wollen und uns das U- und S-Bahnfahren, geschweige denn, das Busfahren nicht so richtig liegt, gibt es für uns nur zwei Verkehrsmittel: zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Zunächst wollten wir in der Hafen City, genauer genommen in der xxx-Gallery, die Gemälde-Ausstellung yyy sehen. Nach drei zeitversetzten Runden um die Gallery merkten wir, dass die Ausstellung noch nicht aufgebaut war, niemand zu sehen und die Tür verschlossen war. Nach etwas Warten und einem kleinen Imbiss disponierten wir um. Hinter dem Hauptbahnhof und durch die „Lange Reihe“ radelten wir sehr meditativ die 12 Kilometer zum Ohlsdorfer Friedhof, dem größten Park-ähnlichen Friedhof der Welt. Sehr groß, sehr alt, sehr weitläufig und menschenleer. In Hamburg-Alsterdorf fanden wir an einer Alsterbrücke in einem möglicherweise ehemaligen Pump- oder Wasserkontrollhaus ein relativ neu eingerichtetes Café-Restaurant namens Braband vor. Weiter über den Stadtpark mit Planetarium auf der mittlerweile gewohnten Strecke bzw. Varianten davon über Eppendorf und Hoheluft nach Eimsbüttel. In unserer Beliebtheitsskala sollten wir Eppendorf dringend abstufen. Das Abendprogramm bestand aus einer Pizza in (bzw. draußen vor) „Oma’s Apotheke“ an der Schanzenstraße.

Freitag, 19. Mai

Das Wetter bedeckt, leicht schwül, oder so. Nach dem Frühstück sollte es über St. Pauli und Altona zum Jenisch-Park gehen. Unterwegs kamen wir an ungewöhnlich vielen Schulen vorbei. Bildung scheint ein Thema zu sein. Der Park ist ein riesiger Landschaftspark, aber ohne viel Geblüm, selbst der hier überall übliche Rhododendron kommt nur vereinzelt vor. Attraktion ist angeblich der Bestand von uralten Eichen. Nun ja, es gab welche. Die „Blickachse“ ging bis zur Elbe, und ein Schiff fuhr vorbei. Im Jenisch-Haus ersparten wir uns die Ausstellung „Ernst Eitner – Monet des Nordens“, trotz des schönen Selbstporträts, welches das Plakatmotiv hergab. Eitner sah aus wie der Münsteraner Pathologe Prof. Karl-Friedrich Börne. Für den Rückweg wählten wir das Elbufer, und für den Abschnitt vom Museumshafen Oevelgönne bis Augusteum schoben wir die Räder direkt über den Sandstrand. Eines unserer seit Jahren unerfüllten Hamburg-Ziele war das Design Xport Center im Gebäude Elbarkaden in der Nähe der Magdeburger Brücke. Ein Design-orientierter Netzwerk-Dienstleister mit großartigem Showroom. Im Abendblatt war eine Ausstellung dort angekündigt, bei der es um die 20-jährige Success-Story von zwei Hamburger Modedesignern mit dem Label FKK ging. Uns interessierten eher die Innenansichten der Immobilie mit einer großen Halle und einer Galerie-Ebene. Oben lagen unendlich viele Design- schräge Lifestyle- und Fotozeitschriften aus, von denen wir die allermeisten nicht kannten. Man hätte stundenlang stöbern können. Fotografieren war erlaubt. In der Halle waren eine kleine Bar und einen kleiner langweiliger Design-Nippes-Shop untergebracht, in denen wir aber nichts kauften. Ach ja, auf dem Weg zum Design Xport gönnten wir uns in der Deichstraße mit Blick auf das fast leergelaufene Nicolaifleet bei Ti Breizh, wo man ein dick aufgetragenes bretonisches Flair zelebriert, eine Galette. Manche mit Chevre chaud und andere mit Saumon fumé. Nebenan, ein Haus weiter, wurden wir auch fündig: Ein echter schwarzer Troyer für den Kleinen. Der Verkäufer und Ladeninhaber gab sich als der Neffe von Helga Feddersen aus, deren Foto aus jungen Jahren an der Wand hing. Er hatte die Stimme von Udo Lindenberg und sah aus wie Jürgen Drews sein Bruder. Es gibt sie also noch, die schönen echten und wahren Dinge. Nach Rückkehr in der Bellealliancestraße fing es alsbald an, heftig und ausdauernd zu regnen und zu gewittern. Wir haben nicht nachgeschaut, vermuten aber, dass auch die letzten Gäste der Sportfrikadelle nicht mehr draußen sitzen mochten.

Samstag, 20. Mai

Nach dem Frühstück suchten wir den Flohmarkt an der Schanze. Es gab ihn nicht. Dann radelten wir nach Altona, wo wir uns am Cruise Center mit dem sich auf der Durchreise zum Schleswig-Urlaub befindlichen Messdiener O. und dessen Frau M. treffen wollten. Es war noch recht frisch von der Regenfront gestern und wir froren etwas, was uns aber nicht davon abhielt, die Möglichkeit wahrzunehmen, auf das Dach der Nordakademie zu klettern, um von dort den Blick auf den Hafen zu genießen. Die Nordakademie kennt man allgemein nicht, dafür aber ihr Gebäude neben dem Cruise Center, welches ein sehr zackiges Trapez im Profil bildet. Links ansteigend, rechts einfallend. Der Messdiener O. sendete eine Nachricht, dass er wegen Stau eine Stunde später käme. Wir bummelten noch ein wenig entlang der Fischbetriebe und kehrten in das Café Schmidt ein. Schmidt ist kein klassisches Café, sondern hat eine herbe Hafen-Optik. Ein beliebtes Ziel für Touris und Frühstücker. Daneben liegt außer dem Restaurant des Fernseh-Kochs Henssler auch ein Feinkost-Geschäft namens „Frische Paradies“ in Industrie-/Großhandels-Optik mit sehr attraktiver Warenzusammenstellung. Wir kauften 2 Packungen Speicherstadt-Kaffee, wohl auch wegen der tollen Verpackung. Als Familie O. eingetroffen war, drehten wir eine kurze Runde und kehrten bei einem Fisch-Imbiss ein. Nach einer Stunde verabschiedeten wir uns wieder und radelten auf Umwegen wieder heim. Der Streckenverlauf lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Am frühen Nachmittag gingen wir zu Fuß zum Grindelberg, wo lt. Hamburger Abendblatt ein Flohmarkt stattfinden sollte, aber der war a) schon vorbei und b) zutiefst enttäuschend. Verplemperte Zeit. Kurze Zeit später sollte der letzte Versuch stattfinden, die Atmosphäre im Literaturhaus mitzubekommen. 6 km Radelstrecke, unten um die Außenalster herum. Es war warm, Samstagnachmittag und ziemlich belebt. Vor dem Literaturhaus war ein Kerl postiert, der die Aufgabe hatte, Leute wie uns abzuwimmeln, weil drinnen eine geschlossene Veranstaltung stattfand. Wir hatten uns schon auf das berühmte echte Wiener Schnitzel gefreut, und waren gespannt, ob es sich mit dem Berliner Exemplar von 2012 würde messen gekonnt haben. Man sah „in Schale Geworfene“ auf dem Balkon und vor der Tür rumlungern, vielleicht ein Geburtstag, ein Jubiläum, eine Konfirmation. Ersatzweise wollten wir die Lage am Elbstrand checken und den Weg über Klosterstern und Eppendorf einschlagen. Sollte die Hauptkirche St. Nicolai am Klosterstern geöffnet sein, würden wir kurz reingesprungen sein zum Kucken. Die Kirche war tatsächlich offen, aber zum Sprung kam es nicht, weil eine Hochzeit stattfand. Abfuhr Nummer 2. Nun wurde uns klar: die nächsten 20 Jahre ohne Eppendorf. Versprochen. Auf dem weiteren Weg an die Elbe hatten wir keine Lust, ständig auf die Karte zu kucken, und fuhren nach unserem inneren Kompass, der nicht immer genau geht, im Endeffekt einen ziemlichen Zickzack-Umwegkurs, der uns, ohne dass wir es merkten, sehr nahe an unserem Quartier und am Beiersdorf-Campus vorbeiführte. Ein Drittel der Strecke wäre möglich gewesen. Für weiter Elbe-abwärts war es plötzlich zu kalt, zu spät, zu unlustig, und so begnügten wir uns am Holzhafen direkt neben der Fernseh-bekannten Kneipe Schellfischposten mit einer Bockwurst mit Kartoffelsalat. Mein Schiff 6 lief nun aus. Auch auf dem weiteren Heimweg deuteten wir die Zeichen teilweise falsch, sodass erneut Umwege anfielen.

Sonntag, 21. Mai 2017

Die einzige Pause während der Rückreise machten wir noch vor Erreichen der Elbbrücke, um mit etwas Mineralwasser die verdreckte Scheibe zu reinigen. Am Nachmittag waren wir wieder in PB.